Die Steine der Fatima
Ali den Raum, um Patienten zu beherbergen. Entweder wollte er sie nach einer Behandlung eine gewisse Zeit beobachten, oder sie waren so schwer krank, dass sie den Weg nach Hause nicht antreten konnten. Ali setzte sich neben den Mann auf die Kante des niedrigen Bettes und betrachtete ihn nachdenklich. Selim hatte recht gehabt, es war tatsächlich Ahmad al-Yahrkun, der dort mit rotem Gesicht und überhitzt vor ihm lag. Ali stieß einen bekümmerten Seufzer aus. Es war nicht der Zustand des Großwesirs, der ihm Sorgen bereitete. Sie hatten ihn noch rechtzeitig gefunden. Das salzige Wasser, das sie ihm in kleinen Schlucken eingeflößt hatten, sowie die kühlenden Umschläge hatten bereits ihre Wirkung getan. Sein Atem wurde kräftiger, und schon bald würde der Großwesir aus seinem Hitzeschlaf erwachen.
Dennoch hatte Ali das ungute Gefühl, dass die Anwesenheit von Ahmad al-Yahrkun in diesem Hause Ärger mit sich bringen würde – jede Menge Ärger.
Ohne genau sagen zu können, warum, mochte er Ahmad al-Yahrkun nicht.
Er war noch nie mit ihm aneinandergeraten, aber jedes Mal, wenn er dem Großwesir im Palast begegnete, hatte er das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen – weshalb er nicht auch einen Rosenkranz um das Handgelenk geschlungen hatte, weshalb er es mit den Gebetszeiten nicht so genau nahm, weshalb er schon wieder nicht zum Freitagsgebet in der Moschee war. Und Humor war diesem Mann gänzlich fremd. Deshalb sah Ali Ahmad am liebsten von Weitem – und nun lag er direkt vor ihm, hier in seinem Haus! Dabei hatte der Tag so gut begonnen.
Mit einem unbehaglichen Gefühl starrte Ali auf das Gesicht des Großwesirs hinunter und fragte sich, wer ihn vor seiner Haustür abgelegt haben konnte. Und aus welchem Grund?
Eine Diebesbande, die den Emir warnen oder erpressen wollte? Ein Unbekannter, der den Großwesir irgendwo außerhalb der Stadt aufgelesen hatte?
Jemand, der Ali Böses und seinen Ruf am Hofe des Emirs schädigen wollte, etwa ein eifersüchtiger Kollege, von denen es in Buchara genug gab? Oder war es einfach ein unerfreuliches Schicksal?
In diesem Augenblick regte sich Ahmad. Seine Lider zitterten, seine trockenen Lippen begannen, sich zu bewegen, und er murmelte leise vor sich hin. Ali beugte sich vor und hielt sein Ohr dicht an den Mund des Großwesirs, um die geflüsterten Worte besser zu verstehen.
»Der Stein… Wo ist der Stein? Allah, wo ist der Stein?«
Ali legte ihm beruhigend eine Hand auf die Stirn, und Ahmad schlug die Augen auf. Unstet wanderte sein Blick durch den Raum und blieb schließlich an Ali haften. Er konnte förmlich sehen, wie der Geist des Großwesirs von seiner Reise durch Traumwelten, in denen er offensichtlich auf der Suche nach irgendeinem Stein gewesen war, in die Wirklichkeit zurückkehrte. Von eine Sekunde zur nächsten wurde sein Blick klar.
»Ali al-Hussein!«, flüsterte Ahmad überrascht. »Wo bin ich? Wie komme ich hierher? Was ist geschehen?«
»Auf Eure beiden letzten Fragen kann ich Euch leider keine befriedigende Antwort geben, verehrter Ahmad al-Yahrkun«, sagte Ali mit einem Lächeln. »Ich weiß nur, dass Ihr Euch zu lange der Sonne ausgesetzt habt. Meine Diener haben Euch vor meinem Tor gefunden. Ihr wart bewusstlos, und so haben wir Euch in mein Haus gebracht, wo ich Euch behandelt habe. Und dort seid Ihr auch jetzt noch.«
»Ich würde jetzt gerne in den Palast zurückkehren, sofern Ihr es gestattet.«
»Natürlich«, erwiderte AM. »Ich habe einen Boten zum Palast geschickt, damit man Euch abholt. Die Sänfte ist soeben eingetroffen.«
»Wer gab Euch das Recht, so eigenmächtig zu handeln?«, stieß der Großwesir derart wütend hervor, dass Ali erschrocken zurückwich. »Nun, jetzt lässt es sich wohl nicht mehr ändern…« Ahmad schlug das dünne Laken zurück, mit dem er zugedeckt war, und erhob sich.
Ali runzelte verärgert die Stirn. Er hatte nur höflich sein wollen. Wenn der Großwesir seine Freundlichkeit nicht erwidern mochte, so war das seine Angelegenheit. »Ich werde einen Diener rufen, der Euch zur Tür begleitet.« Ali klatschte zweimal in die Hände, und gleich darauf erschien ein Junge. »Der edle Ahmad al-Yahrkun wünscht zu gehen. Geleite ihn zum Tor. Und sorge dafür, dass er ein paar neue Schuhe erhält.« Er wandte sich wieder an den Großwesir. »Eure Seidenpantoffeln sind durchgelaufen. Ihr würdet nur Euren Füßen Schaden zufügen, wenn Ihr darin zurückgehen würdet.«
»Ich danke Euch für Eure Pflege, Ali
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