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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sprang auf und begann nun seinerseits im Zelt hin und her zu laufen. »Habe ich dich schlecht behandelt? Habe ich dich gefesselt oder gar geschlagen? Nein! Ich war höflich und zuvorkommend. Und nun willst du nicht reden? Warum diese Undankbarkeit?«
    Beatrice schüttelte fassungslos den Kopf. Das war unglaublich. Vor ihr stand ein Mann, der sie töten wollte und gleichzeitig behauptete, sie sei undankbar, weil sie diesen Umstand nicht gerade erheiternd fand.
    »Setz dich endlich wieder hin«, sagte sie und rieb sich die Stirn, hinter der sich allmählich Kopfschmerzen einstellten. »Du machst mich ebenfalls nervös.«
    Saddin blieb abrupt stehen und starrte sie einen Augenblick entgeistert an. »Beim Barte des Propheten!«, rief er schließlich aufgebracht aus und stampfte mit dem Fuß auf. »Nach allem, was ich über dich gehört habe, habe ich zwar damit gerechnet, dass es nicht einfach werden würde, aber dass du eine so störrische Ziege bist, habe ich nicht geahnt.« Saddin ließ sich wieder auf sein Sitzpolster fallen. Er runzelte zornig die Stirn, und seine dunklen Augen sprühten Funken. »Allah sei Dank für all die sanften, gehorsamen Frauen, die er erschaffen hat!«, stieß er zornig hervor. »Wer hingegen bei deiner Zeugung seine Finger im Spiel hatte, das wage ich gar nicht zu erraten!«
    »Vielleicht derselbe Dämon, der auch dich hervorgebracht hat«, gab Beatrice zurück.
    Saddin sah sie an, seine zornig funkelnden Augen hielten ihren Blick gefangen, als wollte er in die Tiefen ihrer Seele eindringen und versuchen, so die Informationen zu erhalten, die er haben wollte. Beatrice starrte zurück, bemüht, ein ebenso finsteres Gesicht zu machen. Die Situation war einfach grotesk.
    Langsam, aber sicher glättete sich seine Stirn, und schließlich begann er zu lachen. »Bei Allah, was bist du nur für eine Frau«, sagte er und schüttelte lachend den Kopf. »Komm her!«
    »Und weshalb?«, fragte Beatrice misstrauisch. Nähe bedeutete, dass er es leichter hatte, ihr ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen.
    »Komm schon her, ich tue dir nichts.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Wenigstens vorläufig nicht.«
    Irgendetwas an seiner Stimme, an seinem Gesicht zog Beatrice magisch an. Sie wusste, dass es ein Fehler war, dass sie sich nicht mit ihm einlassen sollte. Niemand sollte mit seinem Mörder zu intim werden. Dennoch reichte sie ihm ihre Hand und ließ sich neben ihn auf das Polster ziehen. Sie schloss die Augen und atmete seinen betörenden Duft ein; diesen Duft, der sie beruhigte, sie in Sicherheit wiegte, obwohl sie wusste, dass es eine falsche Sicherheit war – und der sie gleichzeitig erregte. Das alles ist einfach zu viel. Das hält keine Psyche durch. Vermutlich verliere ich jetzt den Verstand.
    Dann spürte sie seine warmen weichen Lippen auf ihrem Gesicht, ihrem Hals und ließ sich zurücksinken.

    Es war schon spät am Abend. Beatrice lag eng an Saddin geschmiegt auf dem breiten Bett, auf dem sie irgendwann an diesem Morgen, vor wenigen Stunden zwar und doch, wie es schien, in einem ganz anderen Leben aufgewacht war. Die letzten Stunden waren erfüllt mit Sinnlichkeit und Leidenschaft – ein Traum, für den es sich beinahe lohnte, zu sterben. Sanft fuhr sie mit den Fingerspitzen über Saddins Hals, über sein Schlüsselbein und ließ schließlich ihre Hand auf seiner Brust liegen.
    Sie spürte seinen Herzschlag – langsam, ruhig, gleichmäßig. Dann sah sie, dass er ein Messer in der Hand hielt. Es war ein langer Dolch mit einer dünnen, schimmernden Klinge. Der Griff war wunderschön gearbeitet. Gehämmertes Messing mit einem feinen Muster aus Blattranken und einem golden schimmernden ovalen Edelstein im Knauf, ein wahres Meisterwerk der Schmiedekunst. Sie merkte, dass sie trotz des Anblicks der Waffe erstaunlich ruhig blieb. Lag es daran, dass sie tief in ihrem Inneren zufrieden war? Die Stunden mit Saddin hatten ihr das Gefühl gegeben, dass das Leben gerade in diesem Augenblick seinen Höhepunkt erreicht hatte. Besser konnte es eigentlich nicht mehr werden.
    »Wolltest du nicht noch warten?«, fragte Beatrice leise und rieb ihren Kopf an seiner Schulter. Eine Maus, die sich in eine Katze verliebt hatte.
    »Ja«, antwortete er. »Aber ich muss mich daran erinnern.« Seine Stimme klang bedauernd, doch sein Herz schlug weiter in seinem Rhythmus, ruhig, langsam und gleichmäßig, während er von ihrem Tod sprach. »Noch nie ist mir ein Auftrag so schwer gefallen. Ich wünschte, ich

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