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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Kehle zu greifen und unbarmherzig zuzudrücken. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht.
    Saddin machte eine ausschweifende Geste. »Wenn eine so ungewöhnliche und schöne Frau, wie Ihr sie beschrieben habt, auf einmal spurlos verschwindet, bedeutet das entweder, dass sie nicht gefunden werden will, oder dass sie in die Hände brutaler Schurken gefallen ist. Sklavenhändler zum Beispiel. Viele dieser skrupellosen Verbrecher zögern nicht, sich ihrer Beute zu entledigen, wenn sie unbequem werden sollte.«
    Ali nickte nachdenklich. Unbequem war Beatrice. Sie würde es niemals hinnehmen, wenn man sie irgendwohin verschleppte…
    »Doch macht Euch zunächst keine Sorgen«, fuhr Saddin fort. »Ich werde alles tun, um sie in einem Stück zu Euch zurückzubringen.«
    Er reichte Ali die Hand und sah ihm gerade in die Augen. »Ich bin sicher, wir werden uns schon bald Wiedersehen.«
    Beatrice hatte sich den ganzen Vormittag die Zeit damit vertrieben, mit den Dienern zu plaudern und sich die Pferde anzusehen, für die der Nomade so berühmt war. Am besten gefiel ihr ein erst wenige Wochen altes Hengstfohlen. Es sprang auf seinen langen, schlaksigen Beinen hinter seiner Mutter her und freute sich seines Lebens. Dort fand Saddin sie, als er gegen Mittag zurückkehrte. Sofort liefen die Pferde zu ihm.
    »Wenn man ihn jetzt sieht, kann man nicht glauben, dass seine Geburt ihn und seine Mutter fast das Leben gekostet hat«, sagte Saddin. Er streckte seine Hand aus und liebkoste die Stute.
    »Du siehst blass aus«, stellte Beatrice fest. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja und nein«, antwortete Saddin. »Es ist so weit. Morgen werde ich dich töten.«
    Beatrice wunderte sich, wie ruhig sie diese Nachricht aufnahm. Bereits die Tage vorher hatte sie eine seltsame innere Ruhe verspürt. Kein Gedanke an Flucht. Das Wissen um ihr nahes Ende schien für sie wie ein neuer Anfang, fast wie die Hoffnung auf Rückkehr. Rückkehr nach Hause.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt sollten wir die Zeit noch nutzen, findest du nicht?«

    Als Beatrice erwachte, war es stockdunkel im Zelt. Sie tastete nach Saddin, aber er lag nicht mehr neben ihr. War es schon so spät? Sollte die Sonne etwa gleich aufgehen, und war er bereits aufgestanden, um sich darauf vorzubereiten, sie zu töten? Beatrice setzte sich im Bett auf. Sie konnte nichts sehen. Aber was hatte sie geweckt? Sie erinnerte sich vage an ein Geräusch, ein Geräusch, das sie im Traum in die Notaufnahme zu einem Betrunkenen geführt hatte.
    Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Was mochte das gewesen sein? Jetzt war alles still. Dann sah sie plötzlich irgendwo zwischen den Wänden des Zelts einen Lichtschimmer. Beatrice stand auf, zog sich hastig das weiße Wollkleid an und ging auf das Licht zu. Sie musste mehrere schwere Stoffbahnen zur Seite schieben, bis sie endlich in einem kleinen, von einer einzelnen Öllampe erleuchteten Raum auf einen Diener traf. Mit großen, angstvoll aufgerissenen Augen starrte er sie an, als wäre sie ein Geist.
    »Wo ist Saddin, dein Herr?«, fragte sie und konnte sich die Antwort im nächsten Augenblick selbst geben.
    Zusammengekrümmt kauerte Saddin auf dem Boden vor einer Schüssel, in die er sich offensichtlich gerade übergeben hatte. Sein Gesicht war ganz bleich, Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
    »Saddin, was ist los?«, rief Beatrice erschrocken aus und kniete im nächsten Augenblick neben ihm auf dem Boden.
    »Beatrice! Vielleicht hat Allah meine Gebete doch erhört«, stieß er mühsam hervor und versuchte zu lächeln. »Samira hat es mir prophezeit, sie hat es in meiner Hand gelesen. Ein inneres Feuer verbrennt mich!«
    »Du hast Schmerzen? Wo?«, fragte Beatrice und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken.
    »Hier.« Saddin legte seine Hand auf den Unterleib.
    »Übelkeit? Erbrechen?«
    Er nickte.
    »Auch Durchfall?«
    »Nein.«
    »Ich werde deinen Bauch abtasten. Streck bitte deine Beine aus«, sagte Beatrice, und da er offensichtlich Probleme damit hatte, drückte sie seine Beine mit sanfter Gewalt gerade. »Tut das weh?« Die Frage war überflüssig. Sein bleiches, schmerzverzerrtes Gesicht sprach Bände. »Seit wann hast du diese Schmerzen?«, wollte sie wissen, während sie vorsichtig seinen Bauch abzutasten begann. Sie hatte bereits eine Vermutung und hoffte, dass sie sich nicht bestätigen würde. Vielleicht war es nichts Schlimmes, vielleicht war es nichts weiter als eine zwar unangenehme, ansonsten jedoch harmlose

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