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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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war.
    »Und wozu dieser Aufwand?«, fragte sie stirnrunzelnd.
    »Reine Vorsichtsmaßnahme, Frau Kollegin«, antwortete Stefan lächelnd. »Wahrscheinlich ist das wirklich übertrieben. Aber wir wollen noch eine Schädelaufnahme in zwei Ebenen und ein CT machen. Außerdem haben wir Blut abgenommen, das ganze Standardprogramm. Und bevor wir die Ergebnisse nicht haben, werden wir dich auch nicht von den Schläuchen befreien. Tut mir leid, Bea, aber du kennst das ja.«
    Beatrice nickte Stefan zu. Ja, in der Tat. In irgendeinem Leben hatte sie diese Vorgehensweise gekannt; in einem anderen hatte sie sich eben diese Möglichkeiten gewünscht. Aber in welchem? Was war Traum, was Realität? Welches Leben gehörte ihr? Beatrice schloss die Augen. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum und verursachten erneut Schwindelgefühle. Nicht nachdenken, nicht überlegen, nur atmen, einfach nur atmen. Alles übrige würde sich zeigen.

    Etwa zwei Stunden später lag Beatrice in einem ruhigen Einzelzimmer. Das CT und das Schädelröntgen waren unauffällig gewesen. Sie hatte Glück gehabt und nicht mehr davongetragen als eine Gehirnerschütterung und eine dicke, bereits jetzt in allen Farben schillernde Beule über dem rechten Auge. Nichts Gefährliches. Dennoch hatten die Kollegen darauf bestanden, sie zur Beobachtung noch über Nacht im Krankenhaus zu behalten.
    Beatrice bat die Schwester, die ihre Sachen in den schmalen Schrank hängte, das Licht im Zimmer zu löschen. Nur die kleine Notlampe direkt neben der Tür brannte noch. Das grelle Kunstlicht verursachte ihr Kopfschmerzen. Kein Wunder bei einer Gehirnerschütterung. Dennoch ertappte sie sich dabei, dass ihre Augen sich nach dem sanften, schummrigen Licht von Öllampen sehnten – und nach Stille. Hier herrschte nicht einen Moment lang Ruhe. Trotz verschlossener Tür hörte sie das Quietschen von Gummisohlen auf dem Linoleum, das Schlurfen von Pantoffeln auf dem Weg zur Toilette, leise Stimmen und die eiligen Schritte der Nachtschwester, die von einem der anderen Patienten gerufen worden war. Der Verkehrslärm drang, obgleich die Fenster geschlossen waren, zu ihr ins Zimmer – Autos, Laster, Polizei- und Krankenwagen mit Sirenen. Sie hatte ganz vergessen, dass das Krankenhaus in unmittelbarer Nähe einer Hauptstraße lag, und sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie diesen Lärm jemals bewusst wahrgenommen hätte. Der durchdringende Geruch von Waschpulver, Desinfektionsmitteln und künstlichen Duftstoffen verursachte ihr Kopfschmerzen. Sie glaubte sogar, das Benzin der Autos auf der Straße riechen zu können. Früher, das heißt noch gestern, war ihr das nie aufgefallen. Was war nur mit ihr los? Sie fühlte sich in ihrem eigenen Körper wie eine Fremde. Lag das bloß an der Gehirnerschütterung, oder was war in der Schleuse mit ihr passiert?
    Beatrice seufzte und starrte aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Es war vier Uhr morgens, sie konnte demnach nicht sehr lange bewusstlos gewesen sein. Sollte also doch alles nur ein Traum gewesen sein? Ein überaus lebhafter, ausführlicher Traum? Und Sekireh, Ali, Saddin und die anderen waren nichts weiter als die Gespinste eines traumatisierten Hirns? Wahrscheinlich, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Oder?
    Beatrice verspürte bei diesem Gedanken eine gewisse Enttäuschung. Dieser Traum war so real gewesen. Hässlich und schön zugleich. Und unglaublich aufregend.
    Plötzlich fühlte sich Beatrice sehr müde. Ihr fiel ein, dass sie einen langen und anstrengenden Dienst hinter sich hatte. Eine schwere, bleierne Müdigkeit legte sich auf ihre Lider. Sie schloss die Augen und war schon nach wenigen Sekunden eingeschlafen.
    Gleich am nächsten Morgen, direkt nach der Visite, wurde Beatrice entlassen. Abgesehen von leichten Kopfschmerzen ging es ihr schon wieder ganz gut. Trotzdem bestanden sowohl ihre Kollegen als auch ihr Chef darauf, dass sie für wenigstens drei Tage zu Hause blieb. Keiner von ihnen ging auf ihre heftigen Proteste ein, im Gegenteil, ihre Kollegen lachten sie sogar aus, als sie ihnen Vergeltung androhte.
    Stefan bot ihr zwar an, sie nach Hause zu fahren, doch sie lehnte ab. Sie fühlte sich noch immer viel zu verwirrt, um Gesellschaft ertragen zu können, und wollte sich deshalb lieber ein Taxi rufen.
    Als sie dann endlich, etwa eine halbe Stunde nach ihrer Entlassung, die Tür ihrer Wohnung von innen verriegelte, kam Beatrice alles wie ein Traum vor. Das Auto, der Geruch von Abgasen, Motorenlärm,

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