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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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die sie schon gar nicht mehr geglaubt hatte. Plötzlich wollte sie wieder wissen, wo sie war. Und es regte sich in ihr sogar ein Interesse daran, aus dieser völlig verrückten Situation zu entfliehen. Doch dann hatte er seine Instrumente hervorgeholt, ein Sammelsurium merkwürdiger Gegenstände, deren Verwendungszweck sie zum Teil nicht einmal erahnen konnte. Sie sahen zwar neu aus und schienen sauber zu sein, aber sie waren völlig antiquiert, ein Kuriosum, das sie an die medizinhistorische Sammlung eines Museums in Großbritannien erinnerte, das sie während eines Urlaubs besucht hatte. Natürlich würde kein seriöser Arzt mit Instrumenten arbeiten, die vielleicht vor Hunderten von Jahren als der Inbegriff des medizinischen Fortschritts gegolten haben mochten – oder aber die Ausgeburt eines sadistisch veranlagten Gehirns waren. Sie war maßlos enttäuscht, und all die Kraft war wieder verpufft, das verzweifelte Aufbäumen ihrer Lebensgeister vorbei.
    Das Loch, in das Beatrice nach diesem Erlebnis fiel, war so tief, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Sie lag fast nur noch auf dem weichen, seidenen Bett, das man ihr zugewiesen hatte. Und wenn sie hin und wieder aufstand, hörte sie das Schlurfen ihrer eigenen Schritte auf dem glatten, kalten Boden. Manchmal erschreckte sie dieses Geräusch, denn es klang wie das Schlurfen einer dementen Neunzigjährigen. In diesen kurzen Augenblicken wurde ihr bewusst, dass sie unter einer schweren Depression litt, und sie fragte sich, ob ihre Umgebung, so wie sie sie wahrnahm, vielleicht gar nicht existierte, ob sie sich in Wirklichkeit auf einer psychiatrischen Station befand. In diesen seltenen und kurzen Momenten schwor sie sich – vorausgesetzt, sie würde jemals wieder in der Lage sein, am normalen Leben teilnehmen zu können –, depressiven Patienten keine Verachtung mehr entgegenzubringen. Diese Menschen gingen durch die Hölle.

    Beatrice lag wieder einmal regungslos auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Sie dachte nichts, sie fühlte nichts. Immer wieder fuhr sie mit den Augen die Linien der Rosetten ab, mit denen der Baldachin ihres Bettes bestickt war.
    Irgendwann jedoch drang ein dumpfer Druck im Rücken in ihr Bewusstsein. Der Druck wurde immer stärker, entwickelte sich zu einem ziehenden Schmerz und zwang sie schließlich zum Aufstehen. Vermutlich lag sie schon zu lange in derselben Position, und ihr noch gesunder Körper verlangte nach seinem Recht auf Bewegung. Mühsam erhob sich Beatrice und stieß dabei ihr Frühstück von dem niedrigen Tisch, der zu ihrer Rechten stand. Laut scheppernd fiel das Messingtablett zu Boden. Brot, getrocknete Datteln und in Salzwasser gekochte Linsen rollten auf dem Boden herum. Aber sie nahm es kaum wahr. Sie hatte nicht einmal mitbekommen, dass man ihr wieder etwas zu essen gebracht hatte.
    Sie schlurfte zur Tür. Auf dem Gang war so viel Betrieb, dass sogar Beatrice stehen blieb und verwundert die Frauen beobachtete, die wie aufgescheuchte Hühner durcheinander liefen.
    Es brennt! Es brennt bestimmt!, alarmierte eine innere Stimme sie. Bring dich in Sicherheit, bevor es zu spät ist!
    Aber sie war nicht in der Lage, auch nur ein Glied zu rühren. Wie angewurzelt blieb Beatrice inmitten des Chaos stehen, wurde hin und her geschubst und zur Seite geschoben, bis schließlich eine alte Frau sie zu spät bemerkte und heftig mit ihr zusammenstieß. Die Alte, zahnlos und mit hundert Falten im Gesicht, schrie und schimpfte, während über ihre Wangen Tränen liefen. Ihre Augen waren gerötet, als würde sie bereits seit Stunden weinen. Sie bedachte Beatrice mit einem Schwall arabischer Wörter und eilte dann laut jammernd und klagend davon.
    Vielleicht ist jemand gestorben, dachte Beatrice und hielt sich ihre Rippen, die von den spitzen Knochen der Alten getroffen worden waren. Möglicherweise war das hier aber tatsächlich nur der ganz normale Alltag einer psychiatrischen Station. Die Frauen, die kopflos umherliefen, waren nichts anderes als ihre Mitpatientinnen, jede von ihnen gefangen in ihrem eigenen Wahnsinn. Und sie selbst bemerkte dieses Chaos nur deshalb erst jetzt, weil endlich die Therapie anschlug und die Antidepressiva, die man ihr sicherlich verabreichte – auch wenn sie sich dessen nicht bewusst war –, zu wirken begannen.
    Beatrice schüttelte den Kopf und ging weiter. Mehrfach wurde sie angerempelt, aber nur selten schimpfte eine der Frauen. Die meisten schienen andere Sorgen zu haben und sie gar nicht

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