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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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goldenen Kuppeln sah aus wie ein kostbares Juwel.
    Beatrice liebte diese zwei Stunden. Schon allein aus klimatischen Gründen waren sie die schönsten Stunden des ganzen Tages. Vorher war es zu heiß, und nur kurze Zeit später, wenn die Frauen den Garten wieder verlassen hatten, wurde es so kühl, dass die Diener Kohlebecken aufstellen mussten und die Männer dicke wollene Umhänge bei ihren Spaziergängen trugen. Oft kam es Beatrice vor, als wäre sie mitten in einem orientalischen Märchen gelandet. Die Gedanken an eine Flucht hatte sie immer noch nicht aufgegeben. Mirwat beantwortete zwar nie ihre Fragen nach der Umgebung, nach Zug-, Flug- oder Busverbindungen. Meistens tat sie sogar, als wüsste sie nicht, wovon Beatrice überhaupt sprach. Dennoch war Beatrice sicher, dass es ihr irgendwann gelingen würde, zu fliehen. Irgendjemand würde ihr eines Tages die Informationen liefern, die sie brauchte. Sie hatte Zeit. Aber wenn sie dann endlich wieder zu Hause war, würde sie sich immer an dieses Licht, diese Farben und diesen Duft erinnern, und sie wusste jetzt schon, dass sie »die Stunde der Frauen« im Garten des Palastes vermissen würde.
    Beatrice beobachtete zwei alte Frauen, die ins Gespräch vertieft auf einer steinernen Bank saßen. Die beiden ließen sich nicht einmal von den kleinen Mädchen stören, an ihrer kostbaren Kleidung als Töchter des Emirs zu erkennen, die kreischend und lachend an ihnen vorbeiliefen. Dann hob die eine Frau ihren Kopf, und Beatrice erkannte Sekireh. Die Alte nickte ihr freundlich zu und setzte ihr Gespräch fort.
    »Sekireh hat dich gegrüßt«, bemerkte Mirwat. »Du musst sie sehr beeindruckt haben.«
    Beatrice sah Mirwat überrascht an. Hatte sie sich getäuscht, oder war die Freundin etwa eifersüchtig?
    »Vielleicht hat sie auch dich gemeint?«
    Mirwat lachte auf. »Mich? Bei allen Heiligen Allahs, Sekireh würde mich niemals so freundlich ansehen. Dabei kann ich froh sein, dass sie mich nur ignoriert. Als Fatma noch Nuhs Lieblingsfrau war, hatte sie mehr unter der alten Hexe zu leiden.«
    Die Bitterkeit in Mirwats Stimme war deutlich. Und Beatrice hatte den Eindruck, dass diese Ignoranz Mirwat entgegen ihrer Behauptung mehr traf, als es Gemeinheiten und Bosheiten vermocht hätten.
    »Ist es wahr, dass die Alte bald sterben muss?«
    Beatrice erstarrte fast vor Schreck. Woher wusste Mirwat davon? Sie war doch mit Sekireh allein im Zimmer gewesen, als sie ihr die Diagnose eröffnet hatte.
    »Sekireh war heute früh ziemlich lange bei dir«, fuhr Mirwat fort, ohne Beatrices Antwort abzuwarten. »Woher um alles in der Welt…«, platzte Beatrice heraus.
    Mirwat lachte wieder. »Du glaubst doch nicht, dass hier irgendein Geheimnis lange verborgen bleibt. Fatmas Dienerin hat Sekireh noch vor dem Morgengebet vor deiner Tür stehen sehen. Sie war gerade auf dem Weg zur Küche, um Fatma ein paar Datteln zu holen. Wahrscheinlich hat die Alte sie nicht bemerkt, denn sie ging zu dir ins Zimmer und kam erst nach fast einer Stunde wieder heraus.«
    Beatrice schüttelte den Kopf. Vermutlich hatte also Fatmas Dienerin die ganze Zeit die Tür beobachtet. War denn hier wirklich gar nichts sicher? Gab es überhaupt keine Privatsphäre? Musste denn jeder dem anderen nachspionieren?
    »Nun? Wann wird das alte Weib endlich sterben?«
    »Woher willst du denn wissen, ob Sekireh überhaupt krank ist?«
    »Komm schon, Beatrice, mach dich nicht lächerlich. Der ganze Palast weiß doch davon, dass Sekireh sich seit einiger Zeit immer schlechter fühlt. Die häufigen Bäder und ihre Besuche bei Samira sind niemandem verborgen geblieben. Und ihre Dienerin hat Nirman im Vertrauen erzählt, wie mager Sekireh in den letzten zwei Monaten geworden ist.«
    »Ach, also ganz im Vertrauen!« Beatrice schüttelte erneut den Kopf. »Ich möchte nicht mit dir darüber sprechen, Mirwat. Sekireh hat sich mir anvertraut und ich…«
    Mirwat nickte langsam. »Also ist es wirklich wahr«, sagte sie leise und triumphierend. »Die Tage der Alten sind gezählt!«
    »Selbst wenn du mit dieser Vermutung recht hättest, geht es dich überhaupt nichts an!«, entgegnete Beatrice scharf. »Das ist allein Sekirehs Angelegenheit. Wenn du unbedingt mehr darüber wissen willst, frage sie selbst.«
    Lächelnd legte Mirwat Beatrice eine Hand auf den Arm. »Rege dich nicht auf. Den meisten Menschen in Buchara tust du damit einen großen Gefallen. Es wird Zeit, dass die Alte endlich für immer die Augen schließt und ihren Platz

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