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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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verhüllen; drei Lagen Stoff mussten genau nach Vorschrift angezogen werden. Immer wieder diskutierte sie mit Mirwat darüber und verlangte nach einer plausiblen Erklärung für diese Vorschriften. Mirwat antwortete stets mit Zitaten aus dem Koran. Obwohl Beatrice den Sinn dieser Antworten nicht immer verstand und versuchte, Mirwat mit Argumenten zu widerlegen, verlor die Freundin nicht ihre Geduld. Mit der Zeit wurde Beatrice der ewig gleich lautenden Antworten müde und sie begann zu akzeptieren, dass es für religiöse Ansichten keine Argumente gab, über die man diskutieren konnte – entweder man glaubte daran oder eben nicht.
    Die beiden Frauen schlenderten auf den Wegen des Gartens, vorbei an plätschernden Brunnen und blühenden Obstbäumen. Mirwat beschrieb ausführlich ein Kleid, das sie sich gerade anfertigen ließ. Nuh II. ibn Mansur wusste davon nichts, sie plante es als eine Überraschung für ihn zu seinem Sieg beim nächsten Pferderennen.
    »Und wenn er nicht siegen sollte?«, fragte Beatrice. Manchmal ging ihr Mirwats zum größten Teil belangloses Geplauder auf die Nerven, aber heute ließ sie sich gern von der Freundin ablenken. Das Gespräch mit Sekireh am Morgen lastete noch schwer auf ihrem Gemüt. »Das ist doch immerhin möglich.«
    »Dann werde ich in diesem Kleid dafür sorgen, dass er seinen Schmerz und seine Trauer vergisst«, antwortete Mirwat ohne zu zögern. »Aber er wird siegen, ich weiß es.«
    Beatrice verdrehte die Augen und schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte sich nur eine intelligente, hübsche Frau wie Mirwat in Nuh II. ibn Mansur verlieben? Aus wirtschaftlichen Gründen war diese Beziehung durchaus nachzuvollziehen. Nuh II. war schließlich der Emir von Buchara und damit nicht nur der mächtigste, sondern auch der reichste Mann in dieser Stadt. Er überhäufte die Frauen mit großzügigen Geschenken, kostbarem Schmuck, edlen Stoffen, Parfüm. Natürlich profitierte besonders seine Lieblingsfrau Mirwat von diesen Gaben. Erst vor wenigen Tagen hatte Nuh II. ihr ein besonders wertvolles Geschenk gemacht – eine makellose schneeweiße Schimmelstute, deren Stammbaum sich angeblich direkt zu der Lieblingsstute des Propheten zurückverfolgen ließ. Dieses Pferd war so kostbar, dass Mirwat sich im Falle eines Verkaufs von dem Erlös einen eigenen kleinen Palast hätte bauen lassen können. Dabei konnte sie noch nicht einmal reiten. Im Gegenteil, sie hatte sogar Angst vor Pferden, wie sie Beatrice im Vertrauen erzählte. Aber reichte diese Großzügigkeit aus, um sich auf das nächtliche Zusammensein mit einem aufgedunsenen, schweinsäugigen Mann zu freuen, der mehr als doppelt so alt war wie sie selbst? Denn eines war Beatrice schnell klar geworden – so seltsam es klang, aber Mirwat liebte Nuh, diesen schwammigen, blutdruckkranken Choleriker, wirklich. Beatrice schüttelte sich bei dem bloßen Gedanken daran. Zum Glück hatte Nuh es bislang nicht gewagt, sie anzurühren, ein Umstand, über den sich alle Frauen hier im Harem zu wundern schienen.
    Mirwat fuhr fort, von der Goldstickerei am Saum ihres neuen Kleides zu schwärmen, und Beatrice ließ dabei ihren Blick durch den Garten schweifen.
    Bei Tage legte sich eine träge Schläfrigkeit über den Palast und seine Bewohner; alles versank im Staub der nahen Wüste, die man die Rote Wüste nannte. In der gleißenden Sonne wirkte sogar der Garten fahl und grau. Selbst das fröhliche Zwitschern der Vögel und das beruhigende Plätschern der Brunnen verstummte unter den brennenden Sonnenstrahlen. Alles war still. Nur manchmal blökte irgendwo ein Schaf, das behäbig im Schatten eines Baums döste. Wer es sich leisten konnte, flüchtete vor der flirrenden Hitze in den Schutz kühler Mauern. Erst gegen Abend kam ein erfrischender Wind auf und brachte von den nahen Bergen die lang ersehnte Abkühlung für Menschen und Tiere. In diesen Stunden erwachte der Palast zu neuem Leben. Die Brunnen plätscherten leise, und der eigentümliche Schrei der Pfauen hallte durch den Garten. Dienerinnen eilten umher, zündeten zahllose Lampen an und brachten den Spaziergängern frisches Obst, Säfte und gezuckertes Zitronenwasser. Der ganze Garten glich einem hell erleuchteten Festplatz. Der betörende Duft der Blumen legte sich schwer über den Garten, und ihre satten Farben – alle Schattierungen von rot, violett, orange und gelb – leuchteten intensiv im schwindenden Tageslicht. Der Palast selbst mit seinen rosa schimmernden Mauern und den

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