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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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der Fatima gehört?«, fragte Saddin.
    »Die Steine der Fatima? Natürlich kenne ich die Legende von dem Auge der Fatima, der Vielgeliebten, welches Allah in Seiner großen Güte und Barmherzigkeit…«
    »Die Frau aus dem Norden besitzt einen dieser Steine.«
    Diese Worte trafen Ahmad wie ein Peitschenhieb mitten ins Gesicht. Eine Hitzewelle rollte über ihn hinweg, und gleichzeitig kroch eine Gänsehaut über seinen Körper. Plötzlich fror er so erbärmlich, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und seinen Herzschlag spürte er bis in die Schläfen hinein. Während dieser Zeit ruhten die dunklen Augen des Nomaden unablässig auf ihm. Sie durchbohrten ihn fast mit ihrem Blick, als wollte Saddin seine Gedanken erforschen.
    Lass dir nur nichts anmerken, dachte Ahmad.
    »Das kann nicht wahr sein, du musst dich irren«, sagte er schließlich und versuchte, seiner Stimme einen unbekümmerten Ton zu verleihen. »Es handelt sich um eine uralte Legende, ein Märchen, das man den Kindern erzählt. Diese Steine existieren nicht.«
    Saddin schüttelte ruhig den Kopf und nahm sich einen köstlich duftenden Pfirsich aus einer Kupferschale.
    »Nein, ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen und es mit eigenen Ohren gehört.«
    Unwillkürlich hielt Ahmad die Luft an. Dann war es also wahr. Es gab die Steine der Fatima wirklich. Er konnte kaum noch still sitzen.
    »Du willst diesen Stein mit eigenen Augen gesehen haben? Wie schaut er denn aus?«
    Saddin biss in den Pfirsich und wischte sich mit dem Handrücken den Saft vom Kinn. Er antwortete, ohne seinen Blick von Ahmad abzuwenden.
    »Es ist ein Saphir, etwa so groß wie ein Taubenei. Ist Euch nicht wohl, verehrter Freund?«
    Ahmad öffnete seinen Kragen, fächelte sich Luft zu und keuchte und japste. »Nein, mir fehlt nichts, es ist nur ziemlich heiß und stickig hier drinnen.« Ahmad schüttelte den Kopf und versuchte, dem Blick des Nomaden auszuweichen. »Vielleicht handelt es sich um ein kostbares Juwel, das im Volksmund Stein der Fatima genannt wird. Vielleicht hat die Barbarin das Juwel irgendwo gestohlen, und sie wollte es an die Wahrsagerin verkaufen?«
    Hatte er zu hastig gesprochen? Saddins Augen verengten sich kaum merklich.
    »Möglich.«
    Er glaubt mir nicht, dachte Ahmad verzweifelt. Dieser Kerl spürt, dass ich nicht die Wahrheit gesagt habe, dass mehr dahinter steckt. Laut erwiderte er, während er sich erhob: »Ich danke dir, dass du mich von dieser Angelegenheit unterrichtet hast. Ich hatte schon seit Langem einen Verdacht gegen diese Sklavin. Nun weiß ich endlich, dass sie eine schändliche Diebin ist. Ich muss Nuh II. davon in Kenntnis setzen. Wie kann ich deine Mühe entlohnen?«
    Täuschte er sich oder zuckte ein verächtliches Lächeln um die Mundwinkel des Nomaden?
    »Zu gegebener Zeit komme ich darauf zurück«, antwortete Saddin. »Einen kleinen Gefallen könntet Ihr mir jedoch bereits jetzt erweisen. Malek al-Omar, ein bisher unbescholtener Bewohner dieser reichen und schönen Stadt, wurde wegen einer lächerlichen Kleinigkeit vor zwei Tagen in den Kerker geworfen. Morgen nach dem Morgengebet soll das Urteil über ihn gesprochen werden. Ich würde es begrüßen, wenn Malek von aller Schuld freigesprochen würde.«
    Ahmad runzelte die Stirn. Malek al-Omar war ein Stadtbekannter Bettler, der am hellichten Tag auf frischer Tat bei einem Diebstahl ertappt worden war. Es gab mindestens fünf Zeugen, die alle gesehen hatten, wie Malek einen Juwelenhändler bestohlen hatte. Die Beute, mehrere goldene Ringe, Armreifen und Ketten, hatte sich sogar noch in seinen Taschen befunden, als die Soldaten ihn wenig später aufgegriffen hatten. Für diesen Gauner einen Freispruch zu erwirken hieße, das Unmögliche zu vollbringen. Andererseits war Saddin nicht der Mann, dem man leichtfertig eine Bitte abschlagen sollte.
    »Gut«, sagte Ahmad. »Ich verspreche dir, dass Malek al-Omar morgen freigelassen wird.«
    Saddin nickte zufrieden. »Ich muss Euch jetzt bitten zu gehen. Ich werde erwartet.«
    Wie in Trance ließ sich Ahmad von Saddin die Kapuze wieder aufsetzen und festbinden. Während er zum Haus des Schreibers zurückgeführt wurde, dachte er über das nach, was Saddin ihm erzählt hatte. Ein Stein der Fatima hier, mitten in Buchara. Das war mehr, als er jemals zu glauben, zu hoffen, zu träumen gewagt hatte. Er musste sich sehr zusammennehmen, um ruhig zu bleiben. Aber wie sollte er gleichgültig bleiben, wenn es um ein derartig

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