Die Steine der Fatima
nicht weniger als sieben Schachspiele, die auf den Tischen aufgebaut waren, jedes aus einem anderen Material gefertigt und eines kunstvoller als das andere.
Schließlich blieb der alte Diener an einer hohen Tür am anderen Ende der Halle stehen. Er klopfte dreimal und öffnete dann selbst.
»Herr, die Frau aus dem Norden ist da«, hörte Beatrice ihn unter Verbeugungen sagen. Er schwieg und lauschte auf eine Antwort, die Beatrice nicht verstehen konnte. »Jawohl, Herr!« Der Diener drehte sich zu Beatrice um. »Komm, Weib, Seine Hoheit Nuh II. ibn Mansur, der Emir von Buchara, erwartet dich. Und du bleibst hier vor der Tür stehen!«, befahl er dem Eunuchen schroff, schob Beatrice in das Zimmer und schloss sorgfältig die Tür von außen.
Gleich beim Eintreten schlug Beatrice der schwere süße Duft von Jasmin entgegen. Der Geruch raubte ihr fast den Atem und trieb ihr die Tränen in die Augen. Jemand musste das Parfüm literweise in dem Zimmer verteilt haben. Beatrice hätte zu gern sämtliche Fenster und Türen aufgerissen, um frische Luft in den Raum zu lassen. Allerdings schien es keine zu geben. Die Wände waren mit schweren, dunklen, üppig mit Goldstickereien und goldenen Quasten verzierten Stoffen verkleidet. Das Licht der Öllampen wurde durch Schirme aus roter Seide gedämpft und verlieh dem Raum eine anzügliche Atmosphäre. Dazu passte auch das mit roten Seidenlaken und verschwenderisch vielen Kissen ausgestattete Bett. Es stand mitten im Raum und war groß genug, um einem halben Dutzend Männern und Frauen bequem Platz zu bieten. Dann entdeckte Beatrice eine goldene Schale mit frivol aussehenden Süßigkeiten, die auf einem kleinen Tisch stand, und ihr wurde übel. Dieses Zimmer sah aus, wie man sich ein Liebesnest in einem Bordell für alternde Manager vorstellte – teuer, schwülstig und unendlich geschmacklos. Am abstoßendsten aber war Nuh II. selbst. Der Emir hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht. Er sah aus wie ein Mann, der nach der Arbeit auf dem Sofa sitzt und darauf wartete, dass ihm seine Frau das Bier bringt.
Nuh stopfte sich gerade mit seinen fleischigen juwelenbesetzten Fingern etwas von dem Gebäck, das an einen Phallus erinnerte, in den Mund. Er erhob sich, als hätte er Beatrice eben erst bemerkt, legte seinen Hausmantel aus goldbesticktem, dunkelblauem Samt ab und kam ihr entgegen. Seinen dicken Bauch, den nicht einmal die eng geschnürte Schärpe verbergen konnte, schob er dabei vor sich her wie eine wertvolle Trophäe. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er Beatrice bei der Hand und führte sie zum Bett. Sein Griff war ekelerregend feucht und warm und weich. Dennoch war er fest genug, um Beatrice die Möglichkeit zu nehmen, ihm ihre Hand wieder zu entziehen. Widerstrebend ließ sie sich auf der äußersten Kante des Bettes nieder. Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bestätigen. Wie lange würde sie diese Situation ertragen können? Was sollte sie tun, wenn Nuh II. ihr zu nahe kam? Denn dass er sie hierher hatte bringen lassen, um mit ihr über das rätselhafte, unbekannte Germanien zu plaudern, war mehr als unwahrscheinlich.
Nuh II. setzte sich dicht neben sie. Er stank so penetrant nach Jasmin, als hätte er in dem Parfüm gebadet. Beatrice versuchte, durch den Mund zu atmen. Der schwere, intensive Duft brannte auf ihren Schleimhäuten, ihre Stirn- und Nackenmuskulatur verspannte sich, und allmählich stellten sich hinter den Augenbrauen beginnende Kopfschmerzen ein. Sie war froh, dass sie keine gesundheitlichen Probleme hatte. Wäre sie Asthmatikerin und Allergikerin gewesen, hätte sie die Konzentration an Duftstoffen vermutlich nicht überlebt.
Vielleicht kann ich schnell wieder gehen, dachte sie, machte sich allerdings keine großen Hoffnungen. Dieses ganze Arrangement war unmissverständlich.
Dem Emir schien es neben ihr sehr gut zu gefallen. Er rückte so dicht an sie heran, dass sie die Fettpolster unter seinem Hemd und seine heftigen Atemzüge auf ihren Rippen fühlen konnte. Beatrice verwünschte ihr Kleid. Weshalb war die Seide nur so dünn? Ebenso gut hätte sie gar nichts anzuziehen brauchen. Hätte sie Yasmina doch nur gebeten, ihr ein derbes Wollkleid anzutun. Oder besser einen dicken knöchellangen Mantel aus Bärenfellen.
Nuh II. legte vertraulich einen Arm um sie und zog sie noch näher zu sich heran.
Beatrice wollte etwas sagen, aber die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie war nicht einmal in der Lage, seinen Arm von sich abzuschütteln. Er lastete
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