Die Steine der Fatima
zusammenhielten, und wischte sich erleichtert den Schweiß von der Stirn, denn unter der dichten Wolle war es heiß und stickig gewesen.
Saddin saß in der Tat, wie Ahmad es vermutet hatte, vor ihm mit überkreuzten Beinen auf einem Kissen. Wenn der Nomade eben noch über ihn gelacht hatte, so war jetzt keine Spur mehr davon auf seinem Gesicht zu entdecken.
»Seid gegrüßt, verehrter Freund«, sagte Saddin, neigte leicht seinen Kopf und führte die Hand zum Mund und zur Stirn. »Setzt Euch, ruht Euch aus.« Er deutete auf ein Kissen vor ihm. »Verzeiht die Unannehmlichkeiten. Ich werde mit meinen Leuten sprechen und veranlassen, dass sie die Schnüre nicht mehr so fest knoten. Ihr seid ja halb erstickte. Darf ich Euch zur Erfrischung Wasser anbieten?«
Ahmad nickte und beobachtete den Nomaden, wie er nach Zitrone duftendes Wasser in einen Becher goss. Saddin war höflich, aber das war er stets. Niemals ließ er es auch nur einen Augenblick an der gebotenen Höflichkeit mangeln. Ahmad gab sich nicht der Illusion hin, diese Höflichkeit wäre aus der Ehrfurcht vor seinem Namen und seinem verantwortungsvollen Amt heraus geboren. Saddin befand sich in einer Position, in der er weder Ämter noch Würdenträger zu fürchten brauchte, wenn er höflich war, dann nur aus Respekt vor dem Alter; immerhin war Ahmad alt genug, um Saddins Vater sein zu können. Doch glaubte er jedes Mal in den dunklen, schönen Augen des jungen Mannes ein spöttisches Funkeln zu entdecken. Und er war sicher, dass Saddin ihn, wenn er mit der Kapuze über dem Kopf vor ihm stand, auslachte.
»Ich habe deine Nachricht erhalten«, sagte Ahmad, nachdem er einen Schluck des köstlich erfrischenden Wassers getrunken hatte.
»Das ist gut.«
Bildete er es sich nur ein, oder glitzerten Saddins Augen noch spöttischer als zuvor? Hatte er nicht eben, kaum merklich zwar, eine Augenbraue gehoben als Ausdruck der Verachtung und des Hohns? Ahmad ärgerte sich über sich selbst. Wieso musste er so dummes Zeug reden wie ein schwachsinniger Greis?
»Ich war sehr verärgert. Du hast die Röhre ausgetauscht, die ich deiner Taube ans Bein gebunden habe«, sagte Ahmad barsch, in der Hoffnung, verlorenen Boden wieder gutzumachen.
»Verzeiht mir, dass ich Euch die goldene Röhre nicht sofort zurückgegeben habe, sondern Euch zuerst eine Erfrischung anbot«, entgegnete Saddin ruhig und deutete eine Verbeugung an. »Was den Austausch angeht, so hielt ich es für klüger, der Taube eine Röhre aus Leder umzubinden. Leder ruft im Gegensatz zu Gold kein Funkeln im Sonnenlicht hervor, welches die Aufmerksamkeit von Jägern auf sich lenken könnte. Verzeiht meine eigenmächtige Handlungsweise. Selbstverständlich hätte ich Euch vorher um Eure Erlaubnis bitten sollen.« Er öffnete seine Faust und hielt Ahmad die goldene Röhre hin. »Hier ist Euer Eigentum.«
Ahmad starrte die goldene Röhre an, als könnte sie sich jeden Augenblick in eine giftige Schlange verwandeln. Woher hatte Saddin gewusst, dass er danach fragen würde?
»Vielleicht können wir aber jetzt auf das zu sprechen kommen, weshalb ich Euch zu mir gebeten habe?«
Die Stimme des Nomaden war merklich kühler geworden, und Ahmad spürte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. Hastig nahm er die Röhre an sich und steckte sie in eine verborgene Tasche.
»Ja, natürlich, ich wollte nur…«, stammelte Ahmad.
»Gut, dann lasst uns endlich zum Geschäft kommen. Ich habe die Frau für Euch beobachtet. Gestern während der größten Mittagshitze hat sie gemeinsam mit Sekirehs Dienerin den Palast verlassen. Sie…«
»Mit Sekirehs Dienerin?«, rief Ahmad überrascht aus. »Aber weshalb…«
»Wenn Ihr mir erlaubt, meinen Bericht zu beenden, werdet Ihr alles erfahren, was Ihr wissen wollt.«
»Natürlich, verzeih…«
»Die beiden haben eine Wahrsagerin aufgesucht, die im Norden der Stadt wohnt. Sie sind dort ziemlich lange geblieben und erst kurz vor dem zweiten Wachwechsel wieder in den Palast zurückgekehrt.«
Verständnislos blickte Ahmad den jungen Nomaden an. Was war an dieser Nachricht so bedeutsam, dass er unbedingt persönlich mit ihm sprechen musste? Wahrscheinlich suchten alle Weiber des Harems von Zeit zu Zeit eine der vielen Wahrsagerinnen und Hexen auf, die in Buchara lebten. Sie holten sich dort Rat, wenn sie sich ein Kind wünschten, eine Rivalin aus dem Weg haben oder das Herz eines Mannes gewinnen wollten.
»Aha, und was haben sie dort gemacht?«
»Habt Ihr schon von den Steinen
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