Die Steine der Fatima
wie ein zentnerschwerer feuchter Mehlsack auf ihren Schultern. Nuh II. schwitzte vor Erregung. Er legte auch noch den anderen Arm um sie und kam ihr mit seinem roten Gesicht so nahe, dass kaum noch ein Blatt zwischen sie und ihn passte. Ganz offensichtlich wollte er sie küssen – und dabei würde er es kaum belassen. Der glasige, lüsterne Ausdruck seiner kleinen blutunterlaufenen Augen gefiel ihr überhaupt nicht. Er erinnerte sie an einen brünstigen Keiler.
Beatrice geriet in Panik. Verzweifelt versuchte sie, einen Ausweg aus der Umarmung zu finden. Aber je mehr sie sich wehrte, umso enger zog er sie an sich. Schreien war vermutlich sinnlos. Die dichten Stoffe und Teppiche an den Wänden und auf dem Boden waren wie geschaffen, um jedes noch so kleine Geräusch zu schlucken.
Niemand würde sie hören und ihr zu Hilfe eilen. Dies hier war eine Falle, ausgeklügelt und gut durchdacht. Und sie war allein mit diesem fetten, perversen Kerl. Wie konnte sie sich…
In diesem Augenblick presste der Emir seine speichelfeuchten, heißen Lippen auf ihre. Voller Entsetzen öffnete Beatrice ihren Mund, doch ihr Schrei wurde von einer dicken, fleischigen Zunge erstickt, die ungebeten vorstieß. Beatrice biss Nuh II. auf die Zunge, riss den Kopf zurück und drehte ihr Gesicht zur Seite. Er stöhnte kurz vor Schmerz und schlug ihr dann mit dem Handrücken so hart ins Gesicht, dass sie benommen rücklings auf das Bett fiel. Sie schmeckte Blut. Ihre ganze rechte Gesichtshälfte war taub. Schon in der nächsten Sekunde war der Emir über ihr. Sein dicker, massiger Leib lag auf ihr und presste ihr die Luft ab – der Kerl musste mindestens drei Zentner wiegen. Für eine Schrecksekunde war Beatrice wie gelähmt, doch dann spürte sie seine glitschigen, feuchten Hände, die an ihr herumtasteten und an den Seidenbändern ihres Ausschnitts nestelten, und es kam wieder Leben in ihren Körper. Ohne lange nachzudenken, packte sie seinen runden Kopf an beiden Ohren und drehte beide Ohrmuscheln so im Uhrzeigersinn, dass sie den Knorpel knirschen hören konnte. Nuh II. brüllte vor Schmerz auf und ließ sie los, um ihre Hände zu ergreifen. Auf diese Reaktion hatte Beatrice jedoch nur gewartet. Sie zog ein Knie an und rammte es dem fetten Emir genau zwischen die Beine. Er brüllte wie ein wütender verwundeter Stier und rollte sich japsend zur Seite. Hastig wühlte sich Beatrice aus den Kissen heraus, doch bevor sie aus dem Bett springen konnte, wurde sie wieder von Nuh II. gepackt. Sie wehrte sich, trat nach ihm, erreichte aber nur, dass ihr Kleid zerriss. Dann umschlang er ihren Bauch und drückte so fest zu, dass sie würgen musste.
»Du bleibst hier! Ich bin noch lange nicht fertig mit dir!«, keuchte er und zog Beatrice mit beinahe unmenschlicher Kraft wieder auf das Bett zurück. »Wir zwei werden noch eine vergnügliche Zeit miteinander verleben.«
Zu ihrem Entsetzen erkannte Beatrice, dass Nuh II. diese Situation sogar genoss. Wie sollte sie diesem perversen Kerl entkommen? In ihrer Not begann sie, wild mit den Fäusten um sich zu schlagen. Schließlich traf ihr Ellbogen das Nasenbein des Emirs. Unter einem grässlichen Knirschen gab der Knochen nach und Blut schoss aus der gebrochenen Nase. In die Augen des Emirs trat ein erstaunter Blick. Beatrice taumelte zurück, befreite sich aus Nuhs Griff und stand aus dem Bett auf. Für einen kurzen Augenblick glaubte sie, ihn endlich in die Schranken verwiesen zu haben. Das Blut lief dem Herrscher von Buchara in Strömen über das Gesicht und besudelte sein kostbares Seidenhemd.
»Nasenbeinfraktur!« sprach eine innere Stimme zu ihr. Tu endlich etwas. Du bist Ärztin, du musst ihm helfen. Leg seinen Kopf in den Nacken, tamponiere die Nasenlöcher, damit die Blutung aufhört, und untersuche den Schädel nach weiteren Verletzungen.
Quatsch!, meldete sich eine andere, hasserfüllte Stimme zu Wort, von deren Existenz Beatrice bislang nicht einmal etwas geahnt hatte. Mach dir keine Gedanken. Der Mistkerl hat es verdient.
Langsam zog Beatrice sich zurück.
Nuh II. tastete seine geschwollene Nase ab. Überrascht betrachtete er das frische Blut an seinen Fingern, dann sah er Beatrice an. Dieser Blick sagte alles – und Beatrice schloss mit ihrem Leben ab. Nuh II. der uneingeschränkte Herrscher, Herr über die Geschicke der Menschen in Buchara, war Widerstand und Weigerung nicht gewohnt. Beatrice hatte seinen Jähzorn heraufbeschworen. Er würde sie mit Sicherheit köpfen lassen, wenn er
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