Die Steine der Fatima
Knaben, der zufällig an seinen Gemächern vorbeigekommen war und die Zimmertür des Herrschers geöffnet hatte, hatte er in seiner Wut buchstäblich gegen die Wand geschleudert. Nur einem gütigen Schicksal war es zu verdanken, dass der Junge keine schlimmen Verletzungen davongetragen hatte. Nuh II. war immer noch zornig. Und es war unklug, seinen Zorn durch unbedachtes Gelächter weiter zu schüren.
»Ich werde Euch jetzt eine andere Salbe auf die Nase streichen«, sagte Ali unterdessen zum Emir. »Nachdem die Blutung endlich gestoppt ist, wird diese Rezeptur die Schwellung weiter zum Abklingen bringen. Doch Ihr solltet vorsichtig sein. Beim Niesen oder bei unbedachten Berührungen kann Eure Nase wieder zu bluten beginnen.«
Nuh II. knirschte mit den Zähnen. »Selbst wenn ich wollte, ich konnte gar nicht niesen. Wisst Ihr, was für Schmerzen ich erdulden muss?«
»Ja, Herr. Es ist nur Eurem starken Charakter zu verdanken, dass Ihr nicht vor Schmerz schreit und wimmert wie ein altes Weib«, erwiderte Ali al-Hussein. »Dennoch muss ich Euch bitten, Euer Leid noch eine Weile zu erdulden und so lange stillzuhalten, bis ich die Salbe aufgetragen und Euch einen Verband angelegt habe.«
Ahmad sah den Arzt scharf an. Er glaubte einen ironischen Unterton in der Stimme des jungen Mannes zu hören. Seiner Miene nach zu urteilen, war er jedoch der freundliche, um seinen Patienten besorgte Arzt.
»Dieses Biest!«, zischte Nuh II. und stöhnte laut, als Ali die Salbe auftrug. »Wenn ich dieses Weib in die Finger bekomme…«
Ahmad fiel der Stein der Fatima wieder ein. Er wunderte sich, dass er tatsächlich für einen Augenblick nicht mehr an das kostbare Kleinod gedacht hatte, das sich immer noch in den Händen dieser Ungläubigen befinden musste. Waren diese Ereignisse das von Allah gesandte Zeichen, um das er gebeten hatte? Vielleicht bekam er jetzt die Gelegenheit, diesem unwürdigen Weib den heiligen Stein abzunehmen.
»Da Ihr sie gerade erwähnt, Herr«, sagte Ahmad und sah ungerührt zu, wie dem Emir die Tränen über die runden Wangen liefen. Er konnte kein Mitleid empfinden. Hätte Nuh II. auf ihn gehört, so wäre ihm dieser Schmerz erspart geblieben. Er hätte diese blonde Hexe niemals anrühren dürfen. »Was soll mit der Sklavin geschehen? Wollt Ihr sie dem Scharfrichter vorführen oder sie verbannen? Ihr könntet sie auch dem Sklavenhändler…«
»Unsinn!«, fiel ihm der Emir ärgerlich ins Wort. »Nichts dergleichen wird geschehen. Bisher mussten sich selbst die wildesten, temperamentvollsten Pferde meinem Willen beugen. Da werde ich mich ganz gewiss nicht einer Frau geschlagen geben.«
»Aber Herr, Ihr…« – Nuh II. winkte ab. »Natürlich muss ich sie bestrafen, aber nicht durch den Scharfrichter.« Er dachte kurz nach, dann hellte sich seine Miene auf. »Ich werde sie einsperren lassen. Für, sagen wir, zehn Tage. In eine kleine Zelle, ohne Tageslicht. Und dann werden wir ja sehen, ob dieses Weib es noch einmal wagt, mich anzugreifen.«
»Ihr wollt sie wirklich wieder in Euer Schlafgemach holen?«, platzte Ahmad entsetzt heraus.
Mittlerweile war Ali al-Hussein mit der Behandlung fertig und verstaute die Salbentiegel in seiner Tasche. Nuh II. erhob sich umständlich von der Liege. Er machte den Eindruck, als hätte er nicht nur eine Verletzung des Gesichts, sondern auch des Rückens erlitten. Unter lautem Stöhnen ließ er sich schwerfällig auf eines der weichen Sitzpolster fallen. Dann verlangte er nach seinem Handspiegel. Für einen kurzen Augenblick sah Ahmad auf dem Gesicht des jungen Arztes ein schadenfrohes Lächeln. Doch es verschwand so schnell, dass Ahmad erneut glaubte, sich getäuscht zu haben.
»Natürlich werde ich die Sklavin wieder zu mir holen, Ahmad. Ich habe sie schließlich nicht erworben, damit sie ihre Tage in meinem Garten verbringt«, erwiderte der Emir, sah in den Spiegel und betastete vorsichtig den dicken Verband an seiner Nase. »War das wirklich nötig, Ali al-Hussein? Ich sehe aus wie ein Possenreißer.«
Der Arzt verschloss sorgfältig seine Tasche und zuckte gleichmütig mit den Schultern.
»Dieser Verband schont den Knochen und wird Euch daran erinnern, in den kommenden Tagen vorsichtig zu sein. Wenn Ihr es wünscht, kann ich ihn selbstverständlich wieder entfernen. Ich lehne dann jedoch jede Verantwortung dafür ab, sollte Eure Nase schief und krumm zusammenwachsen.«
»Und wie lange muss ich diesen Verband erdulden?«
»Zwischen zehn und zwanzig Tagen.
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