Die Steine der Fatima
es ist besser so. Sonst wirft man mich vielleicht noch aus dem Zimmer.« Sekireh beugte sich vor und legte lächelnd eine Hand auf Beatrices Arm. »Ärgere dich nicht zu sehr über das Mädchen. Eine Dienerin, die so sehr um das Wohlergehen ihrer Herrin besorgt ist, dass sie darüber sogar ihre Scheu vergisst, ist ein überaus seltenes Geschenk. Glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche, denn auch ich darf mit Hannah dieses überaus große Glück erfahren. Erhole dich gut. Wenn es dir wieder besser geht, komme zu mir und lass uns unser Gespräch fortsetzen. Die Antwort auf meine Frage interessiert mich.«
»Bitte, Ihr müsst jetzt gehen, Herrin«, drängte Yasmina.
»Deine Kleine ist wirklich sehr hartnäckig«, flüsterte Sekireh und gab Beatrice rasch einen mütterlichen Kuss auf die Stirn. Dann richtete sie sich wieder auf und erhob sich mühsam aus den Polstern. »Du bist ein richtiger Quälgeist«, schalt sie Yasmina, als diese ihr zu Hilfe eilte. »Hilfst du mir, weil ich alt oder damit ich schneller fort bin?« Yasmina entgegnete nichts, aber sie begleitete Sekireh zur Tür, als wollte sie sichergehen, dass die Alte das Zimmer auch wirklich verließ, und legte schließlich sogar den Riegel vor. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Yasmina?«, schimpfte Beatrice, als das Mädchen wieder bei ihr am Bett war. »Wie konntest du es wagen, Sekireh hinauszuwerfen? Noch dazu gegen meinen ausdrücklichen Wunsch? Ich verstehe das nicht! Was ist denn nur in dich gefahren? Bisher war ich immer sehr zufrieden mit deiner Arbeit, du bist fleißig und gehorsam, aber heute hast du mich wirklich bitter enttäuscht.«
Schweigend ließ Yasmina die Strafpredigt über sich ergehen, während sie das Frühstück zur Seite räumte, die Laken glättete und erneut die Kissen aufschüttelte.
»Willst du denn gar nichts dazu sagen, Yasmina?«, fragte Beatrice gereizt.
Stumm, mit gesenktem Blick schüttelte das Mädchen den Kopf. Trotzdem glaubte Beatrice, Tränen auf dem Gesicht der Kleinen zu sehen. »Ich lasse Euch jetzt allein, Herrin, Ihr braucht Ruhe«, sagte Yasmina leise und nahm das Tablett mit dem Frühstück.
»Wenn Ihr einen Wunsch habt, braucht Ihr nur zu rufen. Ich bleibe in der Nähe.« Beatrice starrte noch lange auf die geschlossene Tür. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Sekireh hatte recht. Warum nur hatte sie das arme Mädchen so angefahren? Beatrice beschloss, ihren Fehler wieder gutzumachen. Yasmina in der nächsten Zeit besonders freundlich zu behandeln, ihr für ihren Dienst zu danken und sie zu loben. Über diese guten Vorsätze schlief sie ein.
12
Ahmad al-Yahrkun stand im Schlafgemach des Emirs und sah dem korpulenten Herrscher dabei zu, wie er in dem Raum auf und ab lief. Das Gesicht des Emirs war hochrot vor Aufregung, seine Kleidung war zerknittert. Er hatte noch nicht einmal seine Schärpe umgebunden – ein Umstand, den Ahmad in über zwanzig Jahren, seit aus dem etwas kräftigen Jüngling ein fettleibiger Herrscher geworden war, noch nicht erlebt hatte. Ahmad seufzte tief. Eigentlich wäre es seine Aufgabe, beruhigend auf Nuh II. einzuwirken. Aber wie sollte er das tun, wenn in ihm selbst ein Sturm tobte und er sich nur unter äußerster Willensanstrengung beherrschen konnte, nicht gemeinsam mit dem Emir durch das Zimmer zu laufen?
»Beruhigt Euch, Herr«, sagte Ahmad schließlich und hoffte, dass seine Stimme gelassener klang, als er sich fühlte. »Ich bin sicher, dass es sich nur um ein Missverständnis handelt.«
»Ein Missverständnis?«, brüllte Nuh II. los. »Wenn ich eine Frau zu mir ins Schlafgemach holen will und dieses Weib mir, dem Emir von Buchara, ausrichten lässt, sie sei heute nicht in der richtigen Stimmung, so handelt es sich nach meiner Auffassung keinesfalls um ein Missverständnis. Das ist Rebellion!« Er packte eine Kupferkanne und schleuderte sie voller Wut quer durch den Raum. Mit lautem Getöse prallte die Kanne gegen die Wand, verspritzte dort ihren Inhalt und fiel scheppernd zu Boden. »Und es ist nicht nur eine Frau, die plötzlich gegen mich aufbegehrt, es sind fast alle. Weißt du, was Jambala zum Beispiel gestern von mir verlangte? Sie will lesen und schreiben lernen! Jetzt frage ich dich, wozu um alles in der Welt muss eine Sklavin lesen und schreiben können? Kannst du mir das erklären? Dieses Weib soll mir zu Willen sein, aber nicht mir vorlesen!«
Ahmad seufzte und starrte geistesabwesend die hässlichen dunkelbraunen Streifen an, die der Mokka an
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