Die Steine der Fatima
der weiß getünchten Wand hinterlassen hatte. So bald wie möglich würde er einem Sklaven den Befehl geben, den Schaden zu beheben und die Wand neu zu weißen. Ja, Nuh II. hatte Probleme, wirklich ernste Probleme. Seit zwei Tagen befand sich der ganze Harem in Aufruhr. Die Frauen widersprachen, verlangten Unmögliches. Der Grund für diese Hysterie? Möglicherweise hing es mit der Barbarin zusammen, die den Stein der Fatima besaß. Der Aufruhr hatte nämlich an dem Tag begonnen, als dieses Weib den Kerker wieder verlassen durfte – in Ahmads Augen ein schwerer Fehler, den er gewiss nicht begangen hätte. Aber das war lediglich eine Vermutung, mehr nicht.
»Meine Frauen sind verrückt geworden!«, schrie Nuh II. und raufte sich die Haare. »Sie verlangen nach Rechten! Welche Rechte? Ich weiß nicht einmal, wovon diese Weiber überhaupt sprechen! Sie haben alles, was sie brauchen. Und mehr noch als das. Ich trage die Frauen meines Harems auf Händen, ich überhäufe sie mit kostbaren Geschenken. Oder hast du es etwa schon einmal erlebt, dass ich eine von ihnen schlecht behandelt hätte?«
Ahmad schüttelte den Kopf. Er musste sich konzentrieren und diese Probleme im Harem endlich beseitigen, bevor sie zu einem Aufstand führten, der die ganze Stadt heimsuchte. Aber seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Und so sehr er auch versuchte, eine Lösung zu finden, er konnte an nichts anderes denken als an den Stein der Fatima. In zehn Tagen war es ihm nicht gelungen, den heiligen Stein zu finden. Während die Barbarin im Kerker saß, hatte er ihr Zimmer bis in den letzten Winkel hinein durchsucht. Er hatte die Truhen und Schatullen durchwühlt, ihre Kleider abgetastet, ja er hatte sogar die Möbel auf den Kopf gestellt und sie nach Geheimfächern abgesucht – alles ohne Erfolg. Der Stein blieb unauffindbar. War es möglich, dass diese blonde Hexe die Bedeutung und Macht des Steines kannte und ihn deshalb immer bei sich trug?
»Ahmad, was soll ich tun? Wie kommen die Weiber wieder zur Vernunft? Ich habe fast den Eindruck, es handelt sich tatsächlich um eine Krankheit, wie viele hier im Palast behaupten. Eine Krankheit, die sich immer mehr ausbreitet. Die Einzige, die von dieser Seuche bisher verschont geblieben zu sein scheint, ist Mirwat. Ich kann doch nicht alle anderen auspeitschen lassen, ohne mich gleichzeitig zum Gespött des Volks zu machen.«
Ja, was war zu tun? Wenn er sich doch nur konzentrieren könnte. Ahmad rieb sich die Stirn. Die Kopfschmerzen hatten an dem Tag begonnen, an dem die Barbarin wieder aus dem Kerker entlassen und ihm klar geworden war, dass es ihm nicht mehr gelingen würde, den heiligen Stein in ihrem Gemach zu finden. Wie sollte er an den Stein herankommen? Und wie sollte er den drohenden Aufstand des Harems verhindern?
O Allah, ich flehe Dich an, betete er im Stillen. In Deiner großen Güte und Barmherzigkeit, hilf Deinem Diener, zeige ihm den richtigen Weg!
»Ahmad, ich rede mit dir!«, rief Nuh II. aufgebracht und packte ihn am Arm. »Hörst du mir überhaupt zu? Ein einziges Mal brauche ich deine Hilfe wirklich, und du bist mit deinen Gedanken ganz woanders!« Der Emir stampfte mit dem Fuß auf. »Jeder lässt mich im Stich. Nicht einmal Samira kann ich fragen, da sich dieses törichte Weib ausgerechnet jetzt umbringen lassen musste.«
»Verzeiht, Herr«, murmelte Ahmad und hoffte, dass der Emir ihm sein schlechtes Gewissen nicht anmerkte. Nuh II. hatte recht, selten hatte er in solchen Schwierigkeiten gesteckt. Und Samiras grausamer Tod trug nicht gerade dazu bei, die Lage zu verbessern. Im Gegenteil. Zum Glück wussten die Frauen im Harem noch nichts davon, dass man ihre Ratgeberin mit ausgestochenen Augen und durchgeschnittener Kehle in einem verfallenen Gewölbe aufgefunden hatte. Und ausgerechnet jetzt konnte Ahmad dem Emir überhaupt nicht dienen.
O Allah, bitte, ich brauche einen Ausweg.
»Herr, ich denke, wir müssen…«
Noch während er sprach, kam ihm eine Idee. War es möglich, dass die Barbarin den Stein der Fatima gar nicht mehr in ihrem Besitz hatte? Dass sie ihn Samira zur Aufbewahrung gegeben hatte? Aber dann…
Ahmad wurde abwechselnd heiß und kalt, während er versuchte, die Geschehnisse zu rekonstruieren. Saddin hatte die Barbarin bei der Wahrsagerin beobachtet. Selbst wenn er die Bedeutung des heiligen Steins nicht kannte, so hatte er dennoch gesehen, dass es sich um einen Saphir handelte, einen außergewöhnlich schönen Saphir sogar. Der Nomade war
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