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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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bevor sie antwortete.
    »Ich stimme mit den Männern überein, die behaupten, du habest eine Krankheit in den Harem getragen. Diese Krankheit breitet sich bereits aus. Mit deiner Tat hast du, ohne es zu wissen, ein Zeichen gesetzt, Beatrice. Die Frauen beginnen, ihren Wünschen und Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Sie fangen an, den Männern zu widersprechen. Noch sind es nur Kleinigkeiten, unbedeutende, nebensächliche Dinge, in denen sie den Gehorsam verweigern. Aber es wird immer mehr.« Sekireh schüttelte langsam den Kopf. »Verstehe mich nicht falsch. Ich verurteile dich nicht für deine Tat. Im Gegenteil, ich bewundere dich aus tiefster Seele und wünschte, ich selbst hätte jemals in meinem Leben den Mut dazu besessen, es dir gleichzutun. Doch ich habe Angst. Du hast einen Sturm heraufbeschworen, Beatrice, und ich bin nicht sicher, ob unsere Welt diesem Sturm standhalten kann.«
    Beatrice schwieg betroffen. Als sie in den Kerker gesperrt worden war, war sie erfüllt gewesen vom Triumph. Endlich hatte sie diesem widerlichen fetten Kerl gezeigt, dass seine Macht Grenzen hatte. Dabei hatte sie jedoch nicht daran gedacht, dass sie unter Umständen das komplizierte soziale Gefüge einer Gesellschaft ins Wanken brachte. Sekireh hatte recht. Zeige unterdrückten Geschöpfen, worin ihre Macht liegt, und du wirst einen Krieg auslösen.
    »Es tut mir leid«, sagte Beatrice ehrlich. »Daran habe ich nicht gedacht.«
    Sekireh nickte. »Ich weiß. Du kommst aus einer anderen Welt, einer Welt, in der auch Frauen in der Heilkunde unterrichtet werden, als wären sie Männer, einer Welt, in der Männer und Frauen wie Gleichgestellte miteinander umgehen.« Sekireh seufzte tief. »Manchmal wünschte ich, ich könnte deine Heimat besuchen, wenigstens für einen kurzen Augenblick. Sind die Menschen dort glücklicher?«
    Darauf wusste Beatrice keine Antwort. Petra, eine befreundete Kollegin, fiel ihr ein. Petra war nicht nur eine erstklassige Chirurgin. Sie führte außerdem eine intakte Ehe. Unter Chirurginnen war dies fast schon eine Seltenheit. Sie hatte sogar zwei süße quirlige Kinder, ein Haus mit Garten und einen Hund. Sie kochte fantastisch und kleidete sich sehr modisch. Aber einmal, als sie gemeinsam während eines Nachtdienstes auf dem abgewetzten Sofa des Aufenthaltsraumes der Notaufnahme gesessen hatten, hatte Petra sich Beatrice anvertraut. »Weißt du, Bea,«, hatte sie gesagt, »ich liebe meinen Job wirklich, und ohne meine Familie könnte ich schon gar nicht leben. Aber manchmal beneide ich alle Frauen, die sich mit weniger in ihrem Leben zufrieden geben. Da möchte ich einfach nur eine Frau sein, die sich um Kinder, Mann, Haus und Garten kümmert ohne diesen ständigen Spagat zwischen Dienstplan und Familie, ohne ständigen Kampf gegen das häusliche Chaos. Es gibt Tage, da erscheint mir so ein beschauliches Leben erstrebenswerter als alles andere.«
    Nachdenklich nippte Beatrice an ihrem Tee. Waren die Frauen des beginnenden 21. Jahrhunderts wirklich glücklicher als die hier in Buchara am Ende des ersten Jahrtausends? Oder hatten sie einfach nur die Schwierigkeiten und Konflikte der Vergangenheit gegen neue ausgetauscht?
    »Ich weiß es nicht, Sekireh«, antwortete Beatrice schließlich wahrheitsgemäß. »Darüber muss ich erst noch nachdenken.«
    »Herrin, bitte verzeiht.« Yasmina wandte sich an Sekireh. Keine der beiden Frauen hatte bemerkt, wann das Mädchen das Zimmer wieder betreten hatte. Lautlos und unauffällig war sie hereingekommen. »Verzeiht, dass ich Eure Unterhaltung unterbreche, aber meine Herrin ist noch sehr geschwächt von ihrer Gefangenschaft. Sie ist sicherlich bereits müde…«
    »Nein, Yasmina, das bin ich nicht!«, rief Beatrice empört aus. »Ich fühle mich ausgezeichnet!«
    »Meine Herrin ist bereits müde, auch wenn sie es nicht zugeben möchte«, fuhr Yasmina unbeirrt fort. Sie wandte sich direkt an Sekireh.
    »Aus diesem Grund möchte ich Euch bitten zu gehen. Seid bitte nicht böse, aber die Gesundheit meiner Herrin ist noch ziemlich angegriffen.«
    Beatrice fand als Erste ihre Sprache wieder. »Was fällt dir denn ein?«, ereiferte sie sich. »Du kannst doch nicht einfach meinen Besuch wegschicken.«
    »Lass nur, Beatrice«, lenkte Sekireh überraschend ein. »Ich wollte ohnehin gleich gehen. Außerdem hat das Mädchen recht, ich bin dir schon viel zu lange mit meinem Geplauder auf die Nerven gefallen.«
    »Aber nein, Sekireh, wirklich, du musst nicht…«
    »Doch, doch,

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