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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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dem ausgestreckten Zeigefinger des Mannes.
    Er erreichte bald das lange Zelt, in dem die Nomaden ihre Pferde unterbrachten. Schon aus der Ferne hörte er Stimmengewirr, begleitet von dem Wiehern der Pferde. Vor dem Zelt standen etwa ein Dutzend Knaben im Alter zwischen zehn und vierzehn, die die doppelte Anzahl an Pferden an Zügeln und Halftern festhielten. Die schönen, edlen Tiere waren nervös; aufgeregt tänzelten sie hin und her, schnaubten und wieherten. Die jungen Hüter hatten sicherlich Mühe, die Pferde zu bändigen. Dennoch ließ sich keiner von ihnen die Anstrengung anmerken. Scheinbar unbekümmert lachten und scherzten sie und feuerten einander an. Und nicht ein einziges Mal hörte eines der Tiere ein böses Wort oder wurde gar geschlagen.
    Ahmad trat an den Jungen heran, der ihm am nächsten stand. »Der Friede sei mit dir. Wo finde ich Saddin?«
    »Er ist dort im Zelt«, antwortete der Junge bereitwillig und griff die Halfter der beiden Pferde, die er beaufsichtigte, fester.
    »Ich danke dir«, sagte Ahmad und wandte sich dem Zelt zu. »Er wird aber keine Zeit haben, mit Euch zu sprechen, Herr!«, rief ihm der Junge nach. »Saddin ist zurzeit sehr beschäftigt.«
    Ahmad blieb stehen. »Glaube mir, mein Junge, für mich wird er Zeit haben«, erwiderte er und setzte seinen Weg fort. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie der Junge den Kopf schüttelte und mit den Schultern zuckte. Dann brachen sie alle in helles Gelächter aus.
    Im Inneren des Zelts war es sehr warm. Die dichten, aus dicker ölgetränkter Baumwolle gewebten Planen ließen nur wenig Tageslicht herein, und Ahmad blieb am Eingang stehen, um seine Augen nach dem gleißenden Sonnenlicht an das Halbdunkel zu gewöhnen.
    Eine dicke Strohschicht lag auf dem Boden zum Schutz gegen Sand und Steine. Es roch intensiv nach Pferden, obwohl der Stall auf den ersten Blick leer zu sein schien. Erst nach einer Weile entdeckte Ahmad die Männer, die sich am hinteren Ende des Zeltes versammelt hatten. Sie kehrten ihm ihre Rücken zu und waren so versunken in die Betrachtung von etwas, das außerhalb von Ahmads Sichtfeld lag, dass sie nicht einmal bemerkten, als er zu ihnen trat.
    »Der Friede sei mit Euch!«, sagte er und deutete eine höfliche Verbeugung an. »Wo finde ich Saddin? Ich muss mit ihm…«
    Einer der Männer drehte sich zu ihm um und starrte ihn finster an. »Nicht jetzt!«
    Der barsche Ton ließ Ahmad unwillkürlich einen Schritt zurückweichen. Vor ihm traten die Männer wieder dichter zusammen und bildeten eine undurchdringliche Mauer aus Rücken und Schultern. An jedem anderen Tag wäre Ahmad resigniert umgekehrt und hätte sich unverrichteter Dinge wieder nach Hause begeben, aber heute ging es um den Stein der Fatima, um ein Heiligtum, das er vor der Entweihung schützen musste. Ein Zorn, den er nur selten fühlte, stieg in heißen Wellen in ihm empor und trieb ihm das Blut in die Schläfen. Mit einer Kraft, die er sich selbst niemals zugetraut hätte, schob er die beiden vor ihm stehenden Männer zur Seite und trat an ihnen vorbei in den Kreis. Er achtete nicht auf ihre überraschten Ausrufe und die Verwünschungen, die sie ausstießen, sondern starrte nur hinunter auf Saddin, der direkt zu seinen Füßen auf dem Boden kniete.
    »Saddin«, sagte Ahmad laut, »ich muss mit dir sprechen. Es ist dringend.«
    »Ihr habt die Antwort gehört, Ahmad al-Yahrkun. Nicht jetzt!«, zischte Saddin, ohne Ahmad auch nur eines Blickes zu würdigen. Ahmad sah Schweißtropfen auf der Stirn des Nomaden. War Saddin etwa krank? Erst in diesem Augenblick fiel ihm auf, dass es hier gar nicht um den jungen Mann ging, sondern dass er vor einem Pferd kniete. Der Bauch des Tiers war angeschwollen und aufgebläht wie eine Schweinsblase. Es wand sich vor Schmerzen, warf immer wieder den Kopf auf den Boden und schnaubte und wieherte qualvoll. Vier kräftige Männer hielten die Beine und den Schweif des Pferds fest und sprachen beruhigend auf das Tier ein, während Saddins linker Arm bis weit über dem Ellbogen in dessen Leib verschwunden war. Die umstehenden Männer schwiegen, stumme Zeugen des Kampfs, der zu ihren Füßen tobte. Was ging hier vor? Immer wieder sprach Saddin beruhigend auf das Pferd ein, gab den anderen Männern seine Anweisungen und tastete im Inneren des Tiers nach etwas, von dem Ahmad keine Ahnung hatte, was es war. Unauffällig trat der Großwesir zwei Schritte zurück und reihte sich in den Kreis der anderen ein.
    »Wird das noch lange dauern?«,

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