Die Steine der Fatima
Diener vor ihm. »Herr, Ihr habt mich gerufen?«, sagte er und verneigte sich vor Ahmad. »Habt Ihr einen Wunsch?«
»Ja. Wo ist Saddin? Ich warte schon übermäßig lange auf ihn. Dabei muss ich ihn dringend sprechen.«
»Er wird gleich bei Euch sein, Herr. Habt noch einen Augenblick Geduld.«
Täuschte sich Ahmad oder machte sich der Diener insgeheim über ihn lustig? Er glaubte, ein spöttisches Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben.
»Gut, aber sage ihm, dass ich nicht mehr lange auf ihn warten kann. Ich habe noch wichtige Geschäfte zu erledigen.«
»Sehr wohl, Herr, ich werde es ihm ausrichten«, entgegnete der Diener, verbeugte sich und verschwand wieder zwischen den Vorhängen. Doch erneut wurde Ahmads Geduld auf eine harte Probe gestellt. Um sich die Zeit zu vertreiben, erhob er sich schließlich und ging im Zelt umher. Mehr aus Langeweile denn aus Neugierde nahm er das Kupfer- und Messinggeschirr in die Hände und betrachtete jedes einzelne Stück genau von allen Seiten. Er war gerade in den Anblick einer besonders schönen Kupferkanne versunken, als plötzlich hinter ihm eine Stimme spöttisch sagte: »Gefällt sie Euch, Ahmad al-Yahrkun?«
Erschrocken fuhr Ahmad herum. Vor ihm stand Saddin.
»Sie ist wunderschön, ein Meisterwerk der Schmiedekunst«, antwortete Ahmad und stellte die Kanne hastig wieder auf den Tisch zurück, von dem er sie genommen hatte.
Unauffällig und lautlos wie ein Schatten war der Nomade hinter ihn getreten. Wie lange mochte er schon da stehen und ihn beobachten? Und plötzlich hatte Ahmad einen Verdacht. Er betrachtete die Vorhänge genauer. Waren die Stoffe wirklich so dicht, wie sie zu sein schienen? Oder waren sie nicht bestens geeignet, einen Mann zu verbergen, der seinen Gast ausspionieren wollte? Hatte Saddin vielleicht die ganze Zeit über dort gestanden, ihn beobachtet und sich heimlich über ihn lustig gemacht?
»Nehmt doch bitte Platz, im Sitzen redet es sich leichter«, sagte Saddin und ließ sich auf einem der Polster nieder. Er trug jetzt frische Kleidung und seine Hände und sein Gesicht waren sauber. Seine noch feuchten Haare waren im Nacken zusammengebunden. Offensichtlich hatte er gebadet – nach der Anstrengung kein Wunder und überdies ein hinreichender Grund, einen Gast länger als üblich warten zu lassen. Aber wenn Saddin nichts zu verbergen hatte, weshalb, so fragte sich Ahmad, entschuldigte er sich dann nicht bei ihm? Voller Argwohn nahm er gegenüber dem Nomaden Platz.
»Ich muss gestehen«, begann Saddin, während er Ahmad erneut Wasser anbot und dann seinen eigenen Becher füllte, »dass mich Euer unerwartetes Erscheinen sehr verärgert. Ich schätze es nicht, von meinen Geschäftspartnern hier aufgesucht zu werden.«
»Ich muss aber…«
Doch Saddin schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. »Ihr kennt die Regeln, Ahmad al-Yahrkun«, fuhr er kühl fort. »Und Ihr habt sie akzeptiert, als Ihr mich das erste Mal um meine Hilfe gebeten habt.«
»Es ist aber…«
»Wenn ich jetzt dennoch bereit bin, Euch anzuhören, so liegt es daran, dass Allah uns heute ein großes Geschenk gemacht hat und ich gewillt bin, aus Dankbarkeit meinen Zorn zu vergessen. Aber ich empfehle Euch, in Zukunft unsere Vereinbarung einzuhalten. Anderenfalls sehe ich mich gezwungen, unsere geschäftliche Beziehung zu beenden.«
»Die Stute und ihr Fohlen werden überleben?«, fragte Ahmad und merkte zu seinem eigenen Erstaunen, dass er sich sogar ein wenig über diese Nachricht freute.
Saddin nickte: »Allah hat uns Seine Gnade erwiesen. Und nun erzählt, was so dringlich ist, dass es keinerlei Aufschub duldet und Euch sogar zwang, in mein Heim einzudringen.«
Ahmad presste verärgert die Lippen zusammen. Der Nomade ließ keinen Zweifel daran, dass er ihn und sein Anliegen als überaus lästig empfand und diese Angelegenheit daher so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. Vermutlich hatte Ahmad es lediglich dem Gebot der Gastfreundschaft zu verdanken, welches die Nomaden seit Urzeiten als heilig erachten, dass er dieses überaus wichtige Gespräch nicht irgendwo auf freiem Feld im Stehen führen musste. Und wenn die Stute oder ihr Fohlen oder gar beide gestorben wären?
Was wäre dann mit ihm geschehen? Aber zum Glück hatte Allah in Seiner unendlichen Güte und Weisheit das verhindert.
»Ich bin wegen dieses Steins hier, dieses Saphirs, den die Barbarin bei sich gehabt hat, als du sie beobachtet hast«, sagte Ahmad nach kurzem Zögern. »Befindet sich
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