Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
in den Salon treten müssen, und
zweifellos hätte ihn Trautman mit einem Lächeln oder
einer gutmütigen Bemerkung vom Gegenteil überzeugt.
Aber Mike tat nichts dergleichen. Statt dessen bewegte
er sich noch leiser weiter und legte die letzten Schritte auf
Zehenspitzen zurück, um von Trautman und Singh nicht
bemerkt zu werden. Behutsam lugte er durch die
offenstehende Salontür.
Die NAUTILUS bewegte sich zwar getaucht fort,
befand sich jedoch offenbar nur ganz dicht unter der Meeresoberfläche, so daß er sehen konnte, mit welchem
Tempo das Wasser an dem großen Aussichtsfenster
vorüberströmte. Ein weiteres Indiz dafür, wie ernst
Trautman die Situation nahm, denn normalerweise war er
strikt dagegen, die NAUTILUS mit Höchstgeschwindigkeit laufen zu lassen. Bei einem Schiff, dessen Maschinen bei aller technischen Überlegenheit immerhin die
Kleinigkeit von zehntausend Jahren auf dem Buckel
hatten, eine verständliche Vorsichtsmaßnahme. Nun aber
jagte das Schiff nur so dahin. Trautman und Singh standen
am Steuer. Trautmans Hände lagen auf dem großen
hölzernen Rad, das angesichts der komplizierten
Kontrollinstrumente, die es umgaben, allerdings eher
symbolischen Charakter hatte, und redete in aufgeregtem
und zugleich sehr ernstem Ton auf Singh ein. Der Inder
seinerseits sah ebenfalls ernst und eindeutig bedrückt aus,
und er antwortete nur manchmal, dann allerdings ebenfalls
in demselben ernsten Tonfall. Und erst jetzt fiel Mike auf,
warum er die Unterhaltung der beiden nicht verstand: Sie
sprachen indisch. Daß Trautman Singhs Muttersprache
beherrschte, überraschte ihn kaum. Aber daß er es tat,
obwohl die beiden doch glaubten, allein zu sein, verstärkte
Mikes Sorge. Offenbar war das, was die beiden zu
besprechen hatten, nicht für die Ohren irgendeines anderen
an Bord gedacht. Und das war nun wirklich etwas
Ungewöhnliches. Normalerweise gab es so etwas wie
Geheimnisse an Bord der NAUTILUS nicht. Was ging
hier nur vor? Nach einer Weile erinnerte er sich wieder an
den
Grund, aus dem er eigentlich hergekommen war. Ebenso
lautlos, wie er gekommen war, schlich er wieder ein
kleines Stück von der Tür fort, ehe er sich umwandte und
mit raschen Schritten zu seiner Kabine zurückging.
Jedenfalls wollte er es. Auf halbem Weg jedoch hörte er
ein Geräusch und blieb stehen. Im ersten Moment hatte er
Schwierigkeiten, die Richtung zu identifizieren, aus der es
erscholl, aber dann war es ganz deutlich: Es war ein
gedämpftes Rumoren, das aus Trautmans Kabine drang.
Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet, so daß er erkennen konnte, daß dahinter kein Licht brannte. Außerdem
wußte er ja, daß Trautman zusammen mit Singh im Salon
war. Mike schlich auf Zehenspitzen weiter, erreichte die
Tür und blieb noch einmal stehen, um zu lauschen. Er
konnte jetzt ganz deutlich Geräusche vernehmen, die aus
der Kabine drangen, die doch eigentlich hätte leer stehen
müssen. Niemand an Bord betrat die Kabine eines
anderen, wenn er nicht da war. Das war ein
ungeschriebenes Gesetz vom ersten Tag an, seit sie
zusammen auf der NAUTILUS lebten, und niemand hatte
es bisher gebrochen. Mike trat mit einem entschlossenen
Schritt in die Kabine, streckte die Hand nach dem
Lichtschalter gleich neben der Tür aus - und wäre um ein
Haar gegen Serena geprallt, die sich genau in diesem
Moment anschickte, die Kabine zu verlassen. Sie schien
ebenso erschrocken zu sein wie er, denn er sah trotz des
schwachen Lichtes, das vom Gang aus hereinfiel, daß alle
Farbe aus ihrem Gesicht wich.
»Was tust du hier?« fragte Mike. »Ich... ich wollte... ich
dachte... « Serena begann zu stammeln, brach schließlich
vollends ab und fuhr sich nervös mit der Hand über das
Gesicht. »Ja?« sagte Mike. Er hörte selbst, daß seine
Stimme lauernd und sehr gespannt klang.
»Ich habe... Trautman gesucht«, sagte Serena schließlich.
Es war eine Lüge. Man mußte nicht wie Astaroth Gedanken lesen können, um das zu erkennen. Es stand
überdeutlich in Serenas Augen geschrieben. »Trautman?«
vergewisserte er sich, nun in verändertem, fast
höhnischem Ton. »Im Dunkeln?« Serena wandte hastig
den Blick und sah in die Kabine zurück. Dann begann sie
nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten und
versuchte zu lächeln. Es gelang ihr nicht. »Ich... ich wollte
ihn nicht wecken, falls... falls er schläft«, sagte sie
stotternd. Diesmal machte sich Mike nicht einmal die
Mühe, darauf zu antworten. Was Serena wirklich in der
Kabine getan hatte, das

Weitere Kostenlose Bücher