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Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diese Anrede nicht
mochte, und Singh hatte es ebensooft ignoriert. »Wir
müssen auf die andere Seite der Insel. Und wir brauchen
bestimmt eine Stunde dazu. « Die Insel war zwar mehrere
Meilen lang, aber nicht besonders breit. Dafür jedoch sehr
gebirgig, und der Dschungel, der schon am Ufer dicht
gewesen war, erwies sich als nahezu undurchdringlich, je
tiefer sie ins Landesinnere vorstießen. Dazu kam, daß
Singh immer wieder stehenblieb und sich nervös umsah
und seine Nervosität natürlich auch Mike ansteckte. Sie
brauchten so nicht eine, sondern mehr als zwei Stunden,
bis sie den Strand auf der gegenüberliegenden Seite der
Insel sahen.
Das Gelände lag hier etwas höher als drüben, und der
Strand war sehr viel breiter, so daß sie ihn aus dem Schutz
des Unterholzes heraus gut überblicken konnten.
Übervorsichtig, wie er nun einmal war, hatte Singh Mike
befohlen, ein Stück zurückzubleiben, und war allein zum
Waldrand gegangen. Er blieb sehr lange fort. Mike konnte
ihn als dunklen Umriß am Waldrand erkennen, und er
beobachtete ihn sicher zwei, drei Minuten lang, wie er
einfach reglos dastand und auf das Meer hinausstarrte.
Schließlich hielt er die Untätigkeit nicht mehr aus, beschloß, Singhs Warnung in den Wind zu schlagen, und trat
mit vorsichtigen Schritten neben ihn. Singh wandte nur
flüchtig den Kopf und blickte dann weiter konzentriert auf
den Strand und das Meer hinaus, doch obwohl Mike nur
einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschte, sah er
sofort, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Singh
wirkte sehr angespannt, ja, alarmiert. »Was ist los?« fragte
Mike.
Singh hob die linke Hand und deutete auf den Strand
hinunter. »Seht selbst!«
Mike gehorchte - was er sah, das ließ ihn erschrocken
die Luft anhalten. Singhs Orientierungssinn mußte noch
besser sein, als er bisher geglaubt hatte, denn sie waren
tatsächlich beinahe unmittelbar über dem fremden Schiff
herausgekommen und allerhöchstens noch zwanzig oder
dreißig Schritte davon entfernt. Er konnte eine Anzahl
dunkel gekleideter Gestalten erkennen, die sich an der
silbernen Scheibe zu schaffen machten, sowie eine
doppelte Reihe kniehoher Stäbe, die im Kreis rings um das
Schiff in den Sand gesteckt und mit dünnen Drähten
verbunden waren. Aber das war es nicht, was Singh
gemeint hatte.
Es war auf dem Meer. Unweit des Strandes dümpelte ein
schwerer, grauschwarz gestrichener Dampfer auf den
Wellen, der am Morgen, als sie die Insel vom Meer aus
beobachtet hatten, noch nicht dagewesen war. Dafür
waren das deutsche Schlachtschiff und die beiden
Zerstörer verschwunden. »Wo sind die Schiffe?«
murmelte er. Singh zuckte mit den Schultern. Die drei
deutschen Kriegsschiffe waren nicht mehr da, und an ihrer
Stelle ankerte dieses sonderbare schwarze Dampfschiff
vor der Insel. Es hatte keinerlei Flagge oder sonstige
Nationalitätskennzeichen, und irgend etwas daran war...
unheimlich. Mike konnte das Gefühl nicht in Worte
kleiden, aber es war sehr deutlich. Mühsam löste er seinen
Blick von den rostzerfressenen Flanken des schwarzen
Frachters und konzentrierte sich wieder auf die Männer,
die sich an dem Sternenschiff zu schaffen machten. »Was
tun sie da?« murmelte er.
Wieder bestand Singhs Antwort nur in einem Achselzucken. Aber sein Gesichtsausdruck wurde noch besorgter. Obwohl sie nicht sehr weit von der silbernen
Scheibe entfernt waren, konnten sie nicht genau erkennen,
was die Männer dort eigentlich taten. Nach einer Weile
sagte Singh: »Wir müssen näher heran. « Er überlegte
einen weiteren Moment, dann drehte er sich herum und
deutete mit einer entschlossenen Bewegung wieder in den
Wald hinein. »Ihr bleibt hier, Herr. Ich werde versuchen,
näher heranzukommen. « »Aber -« begann Mike, wurde
aber sofort wieder von Singh unterbrochen.
»Mit ein bißchen Glück schaffe ich es. Es sind so viele,
daß ein Mann mehr vielleicht gar nicht auffällt, und meine
Kleider ähneln den ihren. Und ich gehe bestimmt kein
Risiko ein. Keine Sorge. « »Meinetwegen«, murmelte
Mike ohne rechte Überzeugung. Er bedauerte es
mittlerweile zutiefst, nicht darauf bestanden zu haben, daß
Astaroth sie begleitete. Der Kater mit seinen Fähigkeiten,
die Gedanken der Menschen zu lesen, wäre in diesem
Moment eine unschätzbare Hilfe gewesen.
Sie wichen wieder ein kleines Stück in den Wald zurück
und bewegten sich ein Dutzend Schritte weit nach rechts,
so daß sich Singh dem Schiff auf die kürzest mögliche
Distanz nähern konnte. Mike

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