Die steinerne Pest
war,
empfand er natürlich Furcht davor, und er würde sich
hüten, es zu berühren, ganz egal, was geschah. Aber viel
stärker als diese erklärbare Angst war das andere Gefühl,
das er hatte: das Gefühl, etwas vollkommen Fremdem
gegenüberzustehen, dessen wahre Bedeutung er niemals
wirklich begreifen konnte. Erst jetzt wurde ihm wirklich
klar, was Serena gemeint hatte, als sie ihnen erzählte, daß
alle Versuche ihres Volkes, mit den Erbauern dieser
Schiffe Kontakt aufzunehmen, gescheitert waren oder in
einer Katastrophe geendet hatten. Vielleicht waren sie gar
nicht feindselig, vielleicht war es einfach nicht möglich,
mit ihnen zu reden oder sich lange in ihrer Nähe
aufzuhalten.
Mike richtete sich auf, musterte den sonderbaren, nur
aus ein paar kniehohen Stäben und einem dazwischengespannten, hauchdünnen Draht bestehenden
Zaun
unmittelbar vor sich noch eine Sekunde lang spöttisch,
hob dann den Fuß, um darüber hinwegzusteigen und sich
so unmittelbar im Sichtschutz des Schiffes
weiterzubewegen. Er konnte es nicht. Verwirrt senkte er
den Fuß wieder, versuchte es noch einmal, mit demselben
Ergebnis. Es war ihm nicht möglich, den Zaun zu
übersteigen.
Mike ließ sich verwirrt zurücksinken. Zögernd streckte
er die rechte Hand aus, und es geschah wieder: Sobald er
versuchte, über den Zaun hinwegzugreifen, ging es
einfach nicht, und er konnte nicht sagen, warum. Mike
versuchte es noch ein paarmal, ehe er schließlich aufgab.
Einige Augenblicke lang überlegte er, ob dieser Zaun
vielleicht nur deshalb aufgestellt worden war, um die
Grenze jener unsichtbaren, undurchdringlichen Barriere zu
markieren, die das Schiff umgab. Mike stand auf, drehte
sich herum - und hätte um ein Haar aufgeschrien. Hinter
ihm stand ein Fremder. Es war einer der Männer, die
Singh und er vom Waldrand aus beobachtet hatten. Er war
sehr groß, dunkelhaarig und trug schwarze, grobe Hosen,
gleichfarbige Stiefel und einen farblich dazu passenden
Rollkragenpullover. Sein Gesicht war von seltsam
fremdartigem Schnitt, und er hatte sehr dunkle, große
Augen, die Mike an irgend etwas erinnerten, auch wenn er
im ersten Moment nicht sagen konnte, was es war.
Außerdem war er viel zu erschrocken, um darüber
nachzudenken, denn der Blick dieser dunklen Augen war
direkt auf ihn gerichtet.
Der Fremde war so lautlos näher gekommen, daß Mike
ihn nicht gehört hatte. Mikes Gedanken rasten. Er
zweifelte nicht daran, daß der Fremde ihn sofort packen
oder ein lautes Alarmgebrüll anstimmen würde, und sah
sich hastig nach der günstigsten Fluchtrichtung um - aber
er erlebte eine Überraschung. Obwohl ihm der Mann
direkt in die Augen blickte, schien er ihn gar nicht zu
registrieren, sondern ging einfach an ihm vorbei; so dicht,
daß seine Schulter Mike gestreift hätte, wäre dieser nicht
hastig zur Seite getreten. Der Mann sah sich nicht einmal
nach ihm um, sondern verschwand mit raschen Schritten
um die Rundung des Schiffes.
Mike blickte ihm fassungslos nach. Träumte er? Wenn
der Mann nicht blind war, dann mußte er ihn einfach
gesehen haben. Die ganze Geschichte wurde immer rätselhafter.
Jetzt wurde es aber auch wirklich Zeit, daß er Singh fand
und sie von hier verschwanden. Er wollte gar nicht mehr
wissen, was hier wirklich vorging. Allmählich hatte er das
Gefühl, in einen verrückten Traum geraten zu sein, in dem
nichts mehr so war, wie es sein sollte.
Er wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und
begann die gewaltige Silberscheibe zu umkreisen. Ein
zweiter, genauso gekleideter Mann wie der erste kam ihm
entgegen, und als Mike mit klopfendem Herzen stehenblieb und ihn ansah, wiederholte sich das seltsame
Geschehen. Auch dieser Mann blickte Mike einmal direkt
in die Augen, und auch er schien ihn nicht wahrzunehmen,
sondern ging an ihm vorbei. Mike sah ihm kopfschüttelnd
nach, faßte zugleich aber auch neuen Mut. Wenn all diese
Fremden so reagierten, dann war Singh vielleicht doch
nichts zugestoßen. Möglicherweise hatte er etwas
entdeckt, was ihn die Zeit vergessen ließ.
Er ging weiter - und blieb nach ein paar Schritten abrupt
wieder stehen. Er hatte das Schiff zur Hälfte umkreist und
sah nun den Strand, das offene Meer dahinter und
den
Frachter wieder vor sich.
Aber er sah auch Singh und begriff, daß seine Hoffnung
verfrüht gewesen war. Singh war entdeckt worden. Zwei
der dunkel gekleideten Männer standen hinter ihm und
hielten seine Arme gepackt, ein dritter Mann stand
unmittelbar vor ihm und redete aufgeregt
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