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Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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suchte sich ein Versteck in
einem gut mannshohen Farngestrüpp und sah mit
klopfendem Herzen zu, wie der Inder auf den Strand
hinaustrat und mit raschen, aber trotzdem sehr ruhigen
Schritten auf das Sternenschiff zuging; ein Mann, der es
eilig hatte, aber ganz genau wußte, was er tat und nicht im
geringsten unsicher war. Dieses sichere Auftreten würde
vielleicht dafür sorgen, daß keiner der Männer wirklich
Notiz von Singh nahm. Mike sah, wie der Inder das Schiff
halb umrundete und sich dann ganz selbstverständlich
einer kleinen Gruppe von Männern anschloß, die auf eine
Lücke in dem niedrigen Zaun zusteuerte. Einen Moment
später waren sie und mit ihnen auch sein Freund und
Leibwächter hinter der Scheibe und somit seinen Blicken
entschwunden.
Mike blieb mit klopfendem Herzen in seinem Versteck
zurück und wartete darauf, daß Singh wieder auftauchte.
Natürlich wußte er, daß es unter Umständen lange dauern
konnte. Singh würde sich umsehen, und er konnte
schließlich nicht einfach irgendwann kehrtmachen und
gemächlich in den Wald zurückmarschieren
- das wäre
aufgefallen, denn keiner der Fremden hatte sich dem
Dschungel bisher auch nur genähert. Vermutlich, dachte
Mike, wird Singh letzten Endes gar keine andere Wahl
haben, als dieses Risiko einzugehen, und Mike tat
wahrscheinlich gut daran, sich auf einen ziemlich
überhasteten Rückzug vorzubereiten. Er löste seinen Blick
für einen Moment vom Strand und sah den Wald in
seinem Rücken an. Und plötzlich hatte er, genau wie
vorhin auf der anderen Seite der Insel, das intensive
Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Er sah nicht die
geringste Bewegung, keinen Schatten, aber das Gefühl,
angestarrt zu werden, war plötzlich so mächtig, daß er es
fast wie eine körperliche Berührung empfand. Mike
versuchte sich einzureden, daß es nur Einbildung war; eine
Folge seiner eigenen Nervosität. Niemand war hier, der
ihn beobachtete. Er mußte sich nur in Geduld fassen, bis
Singh zurückkam. Die Zeit verging. Minute reihte sich an
Minute, aber der Inder tauchte nicht wieder auf. Mike
überlegte verzweifelt, was er nun tun sollte. Eigentlich war
es klar: Sie hatten oft genug über Situationen wie diese
gesprochen, und Trautman und auch Singh hatten ihnen
immer wieder eingehämmert, daß niemandem damit
gedient war, wenn einer von ihnen den Helden spielte. Das
vernünftigste in dieser Situation wäre, zurück zur
NAUTILUS zu gehen und gemeinsam mit Trautman und
den anderen zu beraten, wie sie Singh am besten helfen
konnten. Aber auch das war eine Eigenart von Situationen
wie dieser: daß man selten das Vernünftigste tat. Mike
mußte nicht lange überlegen, bis er wußte, was er zu tun
hatte. Er würde Singh auf gar keinen Fall im Stich lassen,
sondern entweder zusammen mit ihm oder gar nicht
zurückkehren.
Aufmerksam beobachtete er den Strand und die riesige
silberfarbene Scheibe, bis er glaubte, einen günstigen
Moment abgepaßt zu haben, in dem keiner der Fremden in
seine Richtung blickte. Rasch richtete er sich auf, trat aus
dem Wald hervor und rannte geduckt auf das fremde
Schiff zu.
Unbehelligt erreichte er die Scheibe und ließ sich unmittelbar vor dem niedrigen Zaun auf die Knie fallen. Für
den Moment war er in Sicherheit. Die Rundung des
gewaltigen Flugobjekts bildete einen zuverlässigen
Schutz, so daß ihn zumindest im Augenblick niemand
sehen würde.
Mikes Herz klopfte bis zum Hals. Erfüllt von einem Gefühl banger Furcht, sah er sich noch einmal um und betrachtete dann das fremde Schiff aufmerksam aus unmittelbarer Nähe. Er war ihm noch nie so nahe gewesen
wie jetzt, und ihm war noch nie zu Bewußtsein gekommen, wie... seltsam es war. Als er es das erste Mal
gesehen hatte, damals, Tausende von Metern unter der
Wasseroberfläche und wie ein viel zu groß geratener
Bumerang in das Wrack der TITANIC verkeilt, war er
starr vor Überraschung gewesen, daß er gar nicht richtig
denken konnte.
Jetzt, als er unmittelbar vor ihm kniete, kam es ihm noch
viel gewaltiger vor, aber er spürte auch, daß es weit mehr
war als nur ein Fahrzeug. Mehr als eine Maschine. Irgend
etwas ging von ihm aus, das er nicht in Worte fassen
konnte: nicht einmal so sehr Gefahr oder Bedrohung,
sondern vielmehr ein Gefühl von Fremdartigkeit. Es war
etwas, was nicht von hier kam und vor allem nicht hierher
gehörte. Da er, wie alle anderen, mit eigenen Augen
erblickt hatte, welche Verheerung dieses gar nicht so
gefährlich aussehende Fahrzeug anzurichten imstande

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