Die steinerne Pforte
das bist du! Du überbringst doch den Wechsel, oder nicht?«
»Heißt das, wenn ich damit zu Grimaldi gehe, bekomme ich diese Summe?«
»Si, ma es gibt eine Bedingung: Derjenige, der den Wechsel unterschrieben hat, darf nicht in der Zwischenzeit die Anweisung zurückgezogen haben, und die Mission muss erfüllt sein, die man dir aufgetragen hat.«
»Die Mission?«
»Die Mission, natürlich! In dem Brief steht doch: >gemäß guter Ausführung der Mission<. Der Bankier zahlt das Geld aus, wenn der Auftrag ausgeführt wurde und der Auftraggeber seine Anweisung nicht geändert hat. Wenn du deine Arbeit nicht gut gemacht hast, wird der Auftraggeber Grimaldi anweisen, nicht zu zahlen. War das nicht so besprochen?«
»Ah, doch, natürlich. Aber es ist ein bisschen kompliziert für mich.«
»Und die Arbeit, was war das?«
»Rechnungen ... sehr viel Rechnungen. Aber warum bezahlt er mit so einer Art Brief, anstatt mit Münzen?«
»Diese Orderwechsel werden hier viel benutzt. Damit kann der Händler die Leute auch bezahlen, wenn er nicht vor Ort ist. Ich schreibe den Wechsel in Rom aus, schicke ihn dir, und du lässt dir das Geld in Brügge auszahlen. So braucht man nicht das Geld hin und her zu schicken, sondern nur das Papier. Das ist sicherer.«
»Und wo finde ich diesen Bankier Grimaldi?«
»Direkt gegenüber!«
Samuel bedankte sich und überquerte den Platz. Die beiden Münzen hielt er fest in der Hand. Nur noch ein kleiner Umweg, dann ginge es wieder nach Hause ... Dreißig Meter weiter trat er an einen Stand, an dem sich ein vertrockneter alter Mann hinter Stapeln von dicken Büchern verschanzt hatte.
»Der junge Mann wünscht?«, fragte Grimaldi mit einem gezwungenen Lächeln.
Samuel legte den Wechsel vor ihn auf den Tisch. Je weniger er dazu sagte, desto weniger Ärger würde er sich einhandeln. Die langen, mit pergamentartiger, faltiger Haut überzogenen und mit Flecken übersäten Finger schnappten nach dem Zettel. Der Bankier überflog ihn mit misstrauischem Blick. Als er die Unterschrift las, flackerte plötzlich Interesse in seinen Augen auf.
»Ah, Ihr kommt also von Meister Klugg, sehr schön!«
Klugg – Sam hatte den Namen zwar noch nie gehört, aber das hielt ihn nicht davon ab, heftig mit dem Kopf zu nicken. Doch als der Bankier mit kritischer Miene den Brief eingehender beäugte, sah Sam bereits seine Felle davonschwimmen.
»Drei Pfund und zwölf Sol«, murmelte er in wenig überzeugendem Tonfall. »Ja, ja, alles in bester Ordnung. Ich gehe sie Euch holen.« Er erhob sich und ging auf den Eingang des kleinen Ladens hinter ihm zu.
»Rührt Euch nicht vom Fleck, ich hole das Geld.«
Samuel sah ihn in der Tür verschwinden, dann tauchte sein Schatten hinter einem der Fenster des Bankgebäudes wieder auf. Grimaldi gestikulierte wild mit den Armen, als riefe er seine Bediensteten herbei. Tatsächlich tauchten zwei Gestalten neben ihm auf, denen er Anweisungen zu geben schien, wobei er immer wieder nach draußen zeigte. Au, dachte Sam, das ist sicher meinetwegen . . . Hatte M. Klugg den Bankier darüber informiert, dass man ihm sein Papier gestohlen hatte? Sollte das der Fall sein, würde Grimaldi die Polizei rufen. Das war jetzt der denkbar schlechteste Moment dafür, falls es für so etwas überhaupt jemals einen guten Moment gab . . .
Sam wartete nicht, bis jemand herausgerannt kam und »Haltet den Dieb« schrie, sondern stahl sich im Schutz der Vordächer davon. Am anderen Ende des Platzes fing er an zu laufen und tauchte in der Menge unter. Man sollte eben doch nicht zu neugierig sein!
Die Münzen hatten nicht funktioniert. . . DIE MÜNZEN FIATTEN NICHT FUNKTIONIERT! Er hatte sie noch so viel drehen und wenden können, der Stein wollte von ihnen nichts wissen. Dabei hatten sie die richtige Größe, nur dass ihre Ränder leicht unregelmäßig waren. Nichts zu machen: kein Anzeichen von Wärme, kein Zittern. Der Stein war kalt und tot geblieben wie alle anderen hier auf dem Friedhof! Vor lauter Wut hatte Sam die Münzen in einen Graben geschleudert. Er saß hier in Brügge fest!
Überflüssig zu erwähnen, dass er den Abend in ziemlich niedergedrückter Stimmung verbracht hatte. Yser hatte ihn gefragt, womit der den langen Nachmittag verbracht hatte, aber Sam hatte nur sehr ausweichend etwas von der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, gemurmelt. Baltus dagegen war aus doppeltem Grund überaus aufgekratzt: Zum einen konnte er es kaum erwarten, am nächsten Tag sein Gemälde beim Wettbewerb zu
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