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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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präsentieren, zum anderen war er davon überzeugt, das Geheimnis von van Eyck so gut wie gelüftet zu haben.
    »Ich bin ganz nah dran, ich fühle es! Das Öl ist noch zu zähflüssig, um es mit der Farbe zu vermischen, aber es fehlt nicht mehr viel! Bald schon wird mich die Gilde zum Meister ernennen!«
    Er schien ganz vergessen zu haben, welche Rolle Sam bei seinen spektakulären Fortschritten gespielt hatte . . . Und das Schönste war, dass die Magd ihm immer noch so liebenswürdig begegnete wie am Anfang. Sie servierte ihm nur halb so viel von der fetten Brühe wie allen anderen oder legte ihm als Fleisch ein Stück Knochen auf den Teller. Aber er hatte sowieso keinen Hunger.
    Mittlerweile war es nach Mitternacht, und Sam lag unter seiner Decke und starrte in die Dunkelheit. Er war sich so schlau vorgekommen bei der Geschichte mit dem Geldwechsler, dabei hatte er nur wertvolle Zeit verloren. In welcher Richtung sollte er jetzt weitersuchen? Die Friedhofskapelle war fest verriegelt gewesen, und im Alten Wald hatte er nichts gefunden. Wo also war die Münze? Und sein Vater? Wie sollte er seinem Vater Rettung zukommen lassen, wenn er nicht einmal in der Lage war, sich selbst zu retten?
    Das Einzige, was ihm gelungen war: die Fotos. Zwar nicht unbedingt die vom Turnier, die waren zu unscharf und schlecht belichtet, und die Ritter sahen aus, als trügen sie Faschingskostüme – dafür aber die Stadtansichten von Brügge, die er vom Friedhof aus aufgenommen hatte: die Stadtmauern, der Beifried, die Kirchtürme, das ganze Panorama . . . das war immerhin etwas.
    Ein leises Knacken auf dem Flur. Wieder die Eingangstür! Dieses Mal war Sam überhaupt nicht müde. Schnell schlüpfte er in seine Sachen und verließ auf Zehenspitzen das Atelier. Der Schlüssel war herumgedreht, der Riegel zurückgeschoben. Der Vorplatz draußen war statt mit Schnee mit einer dünnen schwarz glänzenden Schlammschicht bedeckt. Die Fußspuren bogen nach rechts ab. Was hatte er zu verlieren? Noch während er die Jacke zuknöpfte, lief er auf die Straße. Der rätselhafte Spaziergänger war anscheinend Richtung Kanal unterwegs. Samuel folgte der Spur, und nachdem er drei oder vier kleine Straßen überquert hatte, kam er zu der Brücke über die Reie. Weit und breit war niemand mehr zu sehen . . .
    Plötzlich versetzte ihm jemand von hinten einen harten Schlag.
    »Da ist ja der kleine Spitzel!« Mit eisernem Griff wurde sein Arm gepackt, und jemand riss ihn herum. Ein großer junger Mann mit blondem Haarschopf stand ihm gegenüber und sah ihn böse an.
    »Ich wusste gleich, dass er in der Sache mit drinsteckt! Baltus lässt sich von ihm an der Nase herumführen!«
    Hinter seinen breiten Schultern und seiner zerzausten Löwenmähne erblickte Sam eine Gestalt mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Yser!
    »Du bist ihr wohl gefolgt, was?«
    »Nein«, erwiderte Sam und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich wusste nicht, dass sie es war! Es war bereits das dritte Mal, dass jemand nachts das Haus verließ und . . .«
    »Natürlich bist du ihr gefolgt! Genau so wie du zu der Bande gehörst, die die beiden überfallen hat! Jetzt werde ich dir eine entsprechende Lektion erteilen!«
    »Warte, Friedrich!«, fiel Yser ihm ins Wort. »Vielleicht sagt er doch die Wahrheit. Vielleicht ist es nur ein Zufall.«
    »Zufall? Er soll aus dem Nichts aufgetaucht sein, einfach so, um euch zu helfen? Und dann nistet er sich auch noch bei euch ein! Ich sage dir, er ist ein Spion des Vogts! Und alles, was er verdient, ist eine gehörige Tracht Prügel!«
    »Nicht so laut, Friedrich, um Himmels willen! Wenn mein Vater erfährt, dass . . .«
    »Ich kann schreien, wenn Euch das lieber ist, dann hat die ganze Nachbarschaft etwas davon!«
    »Lass ihn los, Friedrich!«, drängte Yser. »Wenn wir das ganze Viertel alarmieren, macht es die Sache auch nicht besser!« Widerstrebend ließ der junge Mann Sams Arm los.
    »Vielleicht könntet Ihr mir das alles hier erklären«, schlug Sam vor. »Ich habe Euch gestern schon gesagt, dass der Vogt nicht mein Freund ist. Auch er hält mich für einen der Banditen!«
    »Das würde mich aber wundern«, brummte Friedrich. »Schließlich hat er sie geschickt.«
    »Er soll sie geschickt haben?«
    »Friedrich ist davon felsenfest überzeugt«, bestätigte Yser. »Er war von Anfang an der Meinung, dass der Vogt sie engagiert hat, um uns zu überfallen.«
    »Euch zu überfallen? Aber er hat doch vor, Euch zu heiraten!«
    »Er ist ein

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