Die steinerne Pforte
hinterhältiger Schurke«, zischte Friedrich. »Er wollte Baltus den Arm brechen, damit er nicht mehr malen kann. Kein Gemälde, kein Preisgeld beim Wettbewerb.«
»Und kein Preisgeld bedeutet eine größere Chance, mich zu heiraten. Er weiß genau, dass mein Vater dieser Heirat nicht abgeneigt ist, weil er vor allem möchte, dass es mir an nichts fehlt. Wenn wieder mehr Geld ins Haus käme, würde er eher ins Zögern geraten.«
Demnach hatte der Vogt Baltus in eine Falle gelockt, um seine Teilnahme an dem Wettbewerb zu verhindern ... Also deshalb war er von Sams Auftauchen so wenig begeistert gewesen! Sam war der Eindringling, der beinahe alles verdorben hätte!
»Abgesehen davon«, fügte Friedrich hinzu, »geht er selbst höchst unchristlichen Geschäften nach. Ich bin schon öfter in seinen Laboratorien gewesen. Die reinste Hexerei, da drin! Lauter seltsame Puder, alte Zauberbücher, Gläser mit toten Tieren . . . Man darf nicht zulassen, dass Yser dahinein gerät, er wird sie in den Wahnsinn treiben.«
»Ihr habt Zugang zu seinem Laboratorium?«
»Ich bin Diener im Prinsenhof, dem Palast, in dem er wohnt. Manchmal bediene ich ihn, wenn er im Turm isst. Und wenn er an seinen verflixten Metallen arbeitet, qualmt es, als wolle er das ganze Haus abbrennen!«
»Dort im Prinsenhof haben wir uns auch kennengelernt«, erklärte Yser. »Seit. . . Seitdem lieben wir uns.«
Sam hatte es sich schon gedacht.
»Und Ihr trefft Euch nachts?«
»Mein Vater will von dieser Heirat nicht wissen, Friedrich ist vielleicht nicht wohlhabend«, fügte sie bitter hinzu, »aber er ist aufrichtig und mutig. Nicht wie dieser aufgeblasene Klugg, auch wenn er zehnmal Vogt ist!«
»Klugg?«, wiederholte Sam erstaunt. »Der Vogt heißt Klugg!«
»Natürlich, warum?«
»Klugg! Aber . . . aber dann habt Ihr recht! Er ist es! Es ist der Vogt! Er hat die Wegelagerer bezahlt, ich habe den Beweis!«
Friedrich sah Sam an, als fürchte er, dieser sei von der Tarantel gestochen.
»Will er sich jetzt über uns lustig machen?« »Yser, erinnert Euch! Die Jacke, die ich an jenem Nachmittag dem Räuber abgenommen habe ... In der Innenseite ist eine Tasche, und in der habe ich einen mit dem Namen Klugg unterzeichneten Wechsel gefunden. Klugg, wie der Vogt! Er versprach drei Pfund und zwölf Sol für die Ausführung einer bestimmten Mission. Und dieser Auftrag war, Euren Vater zu überfallen!«
»Dieser dreckige Hund! Man sollte ihn . . .«
»Nicht so laut, Friedrich, ich bitte dich! Und dieser Wechsel«, fragte Yser hoffnungsvoll, »habt Ihr ihn behalten? Wenn wir ihn meinem Vater zeigen, wird es ihm die Augen öffnen!«
»Den habe ich leider dem Bankier Grimaldi gegeben«, gestand Sam. »Ich konnte nicht ahnen, dass er so wichtig werden würde.«
Die Antwort war betretenes Schweigen. Die beiden Verliebten ließen enttäuscht die Köpfe hängen. Sie waren so nahe daran gewesen, den Vogt loszuwerden!
»Ich habe eine Idee«, sagte Sam.
Allmählich gelang es ihm, Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Wenn Klugg hinter der ganzen Sache steckte, hatte er sich womöglich im Wald versteckt gehalten, um zu beobachten, ob sein Plan aufginge. Und wenn Sams Theorie richtig war, musste sich die Münze in der Nähe des Steins befinden, damit er funktionierte. Oder zumindest nicht allzu weit . . . Hatte Klugg an jenem Tag die Münze womöglich bei sich getragen?
»Er bearbeitet Metalle, nicht wahr? Ich habe den Kerzenständer gesehen, den er für Euch gemacht hat. .. Wisst Ihr, ob er gelegentlich auch Münzen herstellt?«
»Münzen? Das ist verboten«, antwortete Friedrich. »Aber ich habe in seinem Laboratorium allerlei platte Metallteile gesehen, Medaillen und viele andere Gegenstände.«
Medaillen . . .
»Was habt Ihr vor?«, fragte Yser.
»Ihr braucht einen Beweis gegen den Vogt, um diese Heirat zu verhindern, nicht wahr? Ich werde ihn direkt in seinem Laboratorium suchen. Friedrich wird mich hinführen.«
16.
Der Alchemist
»Pssst!«
Samuel drehte sich um. Friedrich stand am anderen Ende des Raumes im Türrahmen und gab ihm mit der Hand ein Zeichen. Keiner der dreihundert Gäste, die sich in dem riesigen Gewölbe-Saal des Prinsenhofs versammelt hatten, beachtete die beiden. Für den Wettbewerb waren an die dreißig Porträts eingereicht worden, die man ringsherum an den Wänden ausgestellt hatte. Die Mehrzahl der Gäste allerdings drängten sich vor einem langen Tisch, an dem (in den Farben des Grafen) grau-weiß gekleidete Diener
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