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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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der Drachentätowierung fragen würde, jetzt, wo seine amerikanischen Beschützer weg waren. Die Chinesen schienen der Auffassung zu sein, dass er sie bei sich trug. Warum war sie so wichtig?
    Verunsichert darüber, wann sie ihm abhanden gekommen war, überlegte er, was er dem Leutnant sagen konnte. Das Fieber hatte alles in seinem Hirn durcheinandergebracht. Wann hatte er seine Reisetasche zuletzt gesehen? War die Zeichnung überhaupt noch darin? Hatte er sie heraus genommen? Vage glaubte er sich zu erinnern, dass der Drache zeitweilig auch in seiner Hosentasche gesteckt hatte. Welche Hose hatte er zuletzt getragen? Während seiner Ohnmacht in der Krankenstation hatten die CIA-Leute ihn umgezogen. Wo waren seine Klamotten geblieben? Er kam zu dem Schluss, dass die Zeichnung in Doktor Pauls Hilfsstation lag oder sich noch in Xiengs Dorf befand. Wie es schien, hatte ihm die Malaria schon einige Gehirnzellen gekostet. Was spielt es letztlich für eine Rolle? , sagte er sich. Chin hatte ihm seine Kopie gestohlen. Kham war im Besitz des Drachenbildnisses. Außerdem war der Drache auf Leas Rücken. Und früher oder später, würde er auf sie stoßen, sowohl auf Kham, als auch auf Lea. Sie waren da oben oder auf dem Weg dorthin. Er hatte den Verdacht, dass die Chinesen wussten, wo sie suchen mussten.
    Die Vegetation wich zurück, je weiter sie an Höhe gewannen. Die Luft wurde dünner, das Atmen zur Plage. Die Landschaft sah jetzt wie in seinem Traum aus, den er vor Jahrhunderten in einer anderen Welt geträumt hatte. Damals jagte ihn ein Ungeheuer. Es war ihm nicht gelungen zu erkennen, was für ein Wesen das war. Nun wusste er, dass es sich um einen Drachen gehandelt hatte. Oder um einen chinesischen Leutnant? Es fiel ihm zunehmend schwerer, die Drachen als Legende abzutun. Bisweilen war er förmlich überzeugt, dass tatsächlich die mystischen Unwesen dort oben auf ihn warten würden. Höhenrausch , diagnostizierte er. War auch Reinhold Messner in dieser Verfassung, als ihm der Yeti begegnete? Wäre die Situation nicht so angespannt, hätte er über den Gedanken gelacht. Doch im Kreise der mürrisch dreinblickenden Krieger aus dem Reich der Mitte, wagte er keinen Mucks.
    An seinen Beinen hingen Bleigewichte. Im Gegensatz zu seinen Begleitern hatte er keinen Rucksack zu schleppen, trotzdem bekam er erhebliche Probleme, das angeschlagene Tempo mitzugehen. Mein Gepäck ist die Krankheit, die Malaria, die auf mir wie ein alter, defekter Kühlschrank lastet, voll mit verdorbenen, schimmligen Essen, aus dem bereits Maden und Würmer kriechen. Ständig bekam er Gewehrläufe in den Rücken gedrückt und fremde Worte, hart und laut wie Peitschenhiebe, trieben ihn an. Der Weg wurde steiler und die Gipfel rückten näher. Die untergehende Sonne malte einen zarten rosafarbenen Glanz auf den grauen Fels. Die Unterseiten, der sich türmenden Regenwolken, leuchteten feuerrot gegen den schnell dunkler werdenden Himmel. Die Luft wurde klar und trocken und die Temperatur erträglich. Trotzdem war er am Ende. Er spürte, wie die Drogen und Aufputschmittel in seinem Körper die Wirkung verloren und die Malaria mit all ihren Symptomen wieder die Oberhand gewann. Die Glassplitter in seinen Kniegelenken kehrten zurück, genau wie der Schmerz in seinem Kopf, der seinen stacheligen Schwanz um sein Rückgrat wickelte. Er bezweifelte, dass er von seinen neuen Freunden ähnlich wirkungsvolle Mittel verabreicht bekommen würde. Sie machten keine Anstalten, sich seinem körperlichen Verfall anzunehmen.
    Der Trupp hielt plötzlich an. Frank stand kurz vor der Gewissheit, dass er zu keinem weiteren Schritt mehr in der Lage war. Die Nacht senkte sich über den Dschungel unter ihnen und raubte der Landschaft jegliche Konturen. Der Anführer bellte ein paar knappe Befehle und seine Mannen errichteten in Windeseile ein Lager.
    Er kippte einfach nach vorne und blieb an Ort und Stelle liegen. Er hatte Durst. Das Fieber kam so schnell wie die Dunkelheit. Irgendwer reichte ihm eine Wasserflasche und er trank sie leer. Dann kippte er hinüber in ein fiebriges Delirium. Jeglicher Bezug zur Realität war mit einem Wimpernschlag verschwunden. Seine Körpertemperatur schoss nach oben und der, durch die Hitze erzeugte Aufwind, sog seinen Verstand in eine Welt, weit hinter der Vernunft. Das Grauen der letzten Nächte hatte ihn wieder. Leiber, die lebendig verbrannten. Drachenmonster, die mit ihren behäuteten Schwingen die Asche der Toten aufwirbelten und damit den

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