Die Steinernen Drachen (German Edition)
Laos mit in den eskalierenden Vietnamkrieg hinein. Über das Wie und Warum will ich mich jetzt nicht weiter auslassen. Sie können sich sicher vorstellen, wer damals alles politisch intrigiert hatte, angefangen von den internen Machtkämpfen über Ho Chi Minh bis hin zu der CIA.
Für unseren Fall ist entscheidend, was während und nach dem Vietnamkrieg mit dem Königshaus geschah. König Savang Vattana hatte zwei Söhne, Prinz Souvanna Phouma und Prinz Souphanouvong. Souvanna Phouma war Neutralist und versuchte nach dem zweiten Weltkrieg die Rückkehr der französischen Kolonialmacht zu verhindern. Da dies misslang, strebte er eine Kooperation mit der Kolonialverwaltung an. Dies führte zum Bruch mit seinem Halbbruder Souphanouvong, der sich dem bewaffneten Widerstand Pathet Lao anschloss und ein Bündnis mit Ho Chi Minh einging. Diese Spaltung war eine Einladung für die nordvietnamesischen Kommunisten, sich der inneren Verhältnisse Laos’ anzunehmen. Gelenkt von diesen politischen Ereignissen war eine Versöhnung der beiden Brüder ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.
Prinz Souvanna Phouma suchte nach einem Weg, Laos nicht-kommunistisch zu halten, wollte aber auch nicht pro-amerikanisch sein. Er glaubte stets an die nationale Einheit und an den Respekt der Laoten vor ihrem König. Seine Traumwelt zerplatzte, als er erkannte, dass das von seinem Halbbruder verpfändete Ehrenwort, die Pathet Lao würde die Monarchie achten, keinen Pfifferling wert war. Nach dem Friedensabkommen von Paris, 1974, und dem Abzug der Amerikaner aus Vietnam verkündeten die Halbbrüder dem gebeutelten Volk, eine neue Koalitionsregierung zu bilden, doch Souphanouvong besaß schon längst die Macht im Lande.“ Chin schnappte nach Luft und ordnete ihre Aufzeichnungen.
Wie schon nach ihrem ersten Treffen, fühlte er sich übersättigt von den vielen Informationen. Mittlerweile waren sie wieder auf dem Weg über Fellbach zurück nach Waiblingen. Er hatte nicht den Eindruck, dass ihnen jemand folgte. Während er mit dem dichten Verkehrsaufkommen um das Stadion kämpfte, hörte er Chin konzentriert zu und verknüpfte seine eigenen Erkenntnisse mit dem Gehörten. Trotzdem konnte er nicht erraten, auf was seine Begleiterin hinauswollte.
„Im April 1975 war der Krieg in Vietnam beendet und das veranlasste auch die Kommunisten in Laos die wahren Machtverhältnisse offen zu legen. Es kam zur Revolution, das alte Regime wurde interniert. Zusammen mit Bettlern, Drogensüchtigen, Opiumhändlern, Zuhältern und Prostituierten, steckte man die damalige Führung Laos’ geschlossen in ein Umerziehungslager. Das Lager war auf einer Insel im großen Stausee des Nan Ngum. Im Dezember 1975 führte man zu Ende, was sich bereits angekündigt hatte: der Schlag gegen den Monarchen. Die Kommunisten kündigten der Koalition, Souvanna Phouma nahm seinen Abschied und verlor allen Einfluss auf die Politik in seinem Land. Der König musste seine Residenz in Vientiane räumen. Für die nächsten zwei Jahre brachte man ihn mit seiner kompletten Familie in ein bescheidenes Haus nach Luang Prabang.
Am 3. Dezember 1975 ließ sich Souphanouvong im königlichen Palast als neuer Präsident feiern. 1977 nahm die Regierung die Revolte einiger Bergstämme zum Anlass, um den König mit seinen Frauen und dem Kronprinzen zu verhaften, angeblich im Interesse ihrer eigenen Sicherheit. Man deportierte die Königsfamilie in den Nordosten. Auf ihrer Reise dorthin sah man sie offiziell zum letzten Mal. Der König starb angeblich irgendwann 1979, was aber die Regierung noch lange dementierte. Von seiner Familie fehlt seitdem jede Spur ...“ Chin hielt inne.
Er interpretierte diese Pause als Mittel, um dem bevorstehenden Ende die nötige Dramatik zu verleihen.
„Aus unbestätigter, aber durchaus vertrauensvoller Quelle weiß ich, dass in den Wirren dieses Umbruchs und kurz vor der erneuten Verlegung der Königsfamilie, eine Nebenfrau des Königs im Sommer 1977 noch eine Tochter geboren hatte. Ihr Name lautet Le Ah Thi Ky.“
Ausflug ins Grüne
6. September 2002
Der zwiespältige Gefühlswirrwarr trieb ihn früh aus dem Bett, wie seit langem nicht. In seiner kleinen Wohnung fiel ihm nach wenigen Minuten die Decke auf den Kopf, so dass er beschloss, frühstücken zu gehen. Wenig später saß er im Café am Alten Postplatz und las die Tageszeitung. Noch zwei Wochen bis zu den Bundestagswahlen. Die Zeitung war voll mit Umfragen und Prognosen. Es gelang ihm nicht, sich im
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