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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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attraktives, asiatisches Betthäschen, dumm und willenlos, nur für das Eine zu gebrauchen. Das war sie aber überhaupt nicht. Andererseits gestand er sich ein, dass er diesen Eindruck erwecken musste, da er kaum etwas über Lea wusste. Genau so wenig wie über Ilka!
    Er schluckte den Groll hinunter. „So gut wie sie Deutsch spricht, vermute ich, dass sie schon eine Weile hier lebt“, antwortete er schließlich.
    „Wo wohnte sie, bevor sie nach Waiblingen kam?“
    „Warum willst du das wissen?“, fragte er in aggressivem Tonfall zurück.
    „Es interessiert mich einfach. Ich will, dass es dir gut geht, weil ich dich mag. Darf man sich keine Sorgen mehr machen?“
    Dieser Satz kam ihm bekannt vor. Erst vor ein paar Tagen hatte er ihn aus dem Mund einer anderen Frau gehört.
    „Willst du mich bemuttern?“
    „Das ist nicht meine Absicht. Im Gegenteil, ich hege andere, anstößigere Gedanken. Jetzt sei nicht böse mit mir und lass mich ein bisschen neugierig sein. Fragst du dich nicht, welche Gründe sie hatte, ihr Land zu verlassen? Ob sie aus politischen Motiven geflohen ist oder vielleicht von ihren Eltern verkauft wurde? Man hört so was immer wieder in den Medien. Was weißt du schon wirklich über ihr Land und die dortigen Zustände?“
    Er ahnte, wie ihre Reaktion ausfallen würde, wenn er gestand, dass er nichts über Leas früheres Leben und all den Dingen wusste, die sie aufgezählt hatte. Auf keinen Fall wollte er Ilka noch mehr Argumente dafür liefern, dass er bei Lea nur an dem Einen interessiert sei. Aus diesem Grunde musste er irgendeine Begründung finden, warum er nichts über ihre Herkunft erzählen konnte. „Wir fanden bisher nie die Gelegenheit uns tief schürfend darüber zu unterhalten. Ich weiß, dass klingt jetzt vielleicht etwas borniert aber ... Ich möchte dir deutlich machen, dass ich mir durchaus den Kopf darüber zerbreche, was Lea nach Deutschland getrieben hat. Bisher hat sich für uns noch nicht der richtige Zeitpunkt ergeben, ausführlich und im passenden Rahmen darüber zu unterhalten. Ich denke, es ist ihr unangenehm und es bedarf einer gewissen Vertrauensbasis, bis sie darüber redet. Und genau diese Zeit muss ich ihr einfach geben.“
    Die Sonne fiel schräg durch das Blätterdach und spielte mit Licht und Schatten in Ilkas Augen. Frank sah ihr nicht an, ob seine Antwort richtig gewesen war, denn ihre Gesichtszüge waren regungslos und ihr Blick ging geradeaus, den schmalen Weg entlang. Ihre Finger suchten nach einer Zigarette. Sekunden später stieg ihm beißender Rauch in die Nase, der sich für ihn nicht mit den visuellen Reizen der Umgebung in Einklang bringen ließ. Für seine offenen Worte hätte er sich etwas mehr Dankbarkeit gewünscht, war aber letztlich damit zufrieden, dass sie nicht weiter auf dem Thema herumritt. Die letzten Minuten hatten diesem wunderbaren Tag einen faden Beigeschmack gegeben. Selbst die Natur um sie herum hatte dadurch etwas von ihrem Zauber verloren. Es wurde Zeit diesen Ort zu verlassen.
    Sie lud ihn ein mit zu ihr zu fahren. Er wusste, dass er sich dem Wunsch nicht verweigern konnte. Das Verlangen war stärker als die Vernunft.
     
     
    Reisegedanken
    4. Juli 2003
    Chin machte grünen Tee, der bitter schmeckte. Doch er fand es unangebracht nach Zucker zu fragen. So nahm er zaghafte Schlucke und betrachtete das geschmackvolle Interieur des kleinen Appartements. Weiß getünchte Wände, schlichte, funktionelle Möbel in dunklem Holz ergänzten sich mit farbenprächtigen Kunst- und Kulturgegenständen aus Südostasien. Masken, Statuen und Bilder, die entweder auf Baumrinde, Stoff oder Leinwand gemalt waren. Eine Seite des offenen Wohnzimmers beanspruchte ein voluminöses, voll gestopftes Bücherregal, das trotz allem aufgeräumt wirkte. Aus der Bang-&-Olufsen-Anlage rieselten unaufdringliche asiatische Klänge. In einer durch ein Sideboard abgetrennten Ecke stand ein Schreibtisch, auf dem ein aufgeklappter Laptop in diffusem Blau leuchtete. Draußen verschwand mit verschwenderischer Abendröte die Sonne hinter den Weinbergen und tauchte den Rest des Raumes in ein warmes Licht. Er ahnte, dass hier jemand Feng Shui praktizierte, nicht nur weil es gerade hip war, sondern aus einer Lebenseinstellung heraus.
    Nach einer ziellosen Autofahrt hatte Chin vorgeschlagen zu ihr zu fahren, obwohl sie nicht ausschließen konnte, dass man auch dort nach ihnen suchen würde. Die Asiatin gab ihm mit jeder Faser ihres Körpers zu verstehen, dass ihre neu

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