Die Steinernen Drachen (German Edition)
Einzelnen auf die Inhalte zu konzentrieren. Der übermächtige Wunsch, Lea endlich wieder in den Armen zu halten, füllte seinen Kopf aus. Egal welchen Artikel er anfing zu lesen, nach drei Zeilen wusste er nichts mehr vom Inhalt. Der Kaffee schmeckte nach lauwarmem Spülwasser, das Croissant nach Pappmaschee. Immer wieder sah er auf die Uhr, weil er nicht glauben wollte, dass es erst halb zehn am Morgen war.
Zwei ereignislose Tage waren verstrichen, ohne dass er etwas von Lea gehört hatte. Seit ihrem nächtlichen Überfall am Dienstag war sie für ihn unerreichbar. Seine Anrufe im Restaurant wurden nicht weitergeleitet oder man legte einfach auf. Die Unfreundlichkeit und der scharfe Ton der Chinesen hielten ihn davon ab, dem Mandarin einen Besuch abzustatten. Es blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, bis Lea sich bei ihm melden würde. Sie ließ ihn keine Sekunde los, egal mit was er sich beschäftigte. Diese Frau stempelte ihn zum kompletten Idioten. Bestimmte sie nach ihrer Willkür, wann sie für ihn zu sprechen war und ihn sehen wollte? Oder war es tatsächlich ihre Chefin, die über Lea verfügte und deren Argusaugen sie nur ab und zu entkommen konnte, um sich in seine Arme zu flüchten?
Frank wusste nicht, was er glauben sollte, aber er hegte eine unbändige Wut auf die Chinesen und schmiedete Pläne, wie er seine Geliebte deren Klauen entreißen konnte.
Aus seinen tiefen Gedanken gerissen, registrierte er, dass sich jemand an seinen Tisch setzte. Er klappte eine Ecke der Zeitung zurück, in die er eben noch gedankenverloren gestarrt hatte. Die grünen Katzenaugen, die ihn anfunkelten, waren unverkennbar. „Ilka!“
„Muss ein spannender Artikel sein. Ich habe dreimal gefragt,
ob ich mich setzen darf.“
Er spürte eine leichte Röte in sich hochsteigen und legte die Zeitung zur Seite. „Entschuldige, es ist noch etwas früh für mich. Möglich, dass ich gerade wieder eingeschlafen war“, versuchte er die Situation zu entschärfen und staunte darüber, wie sich ihm die Frauen in letzter Zeit aufdrängten, wenn er in Cafés hockte und die Zeitung las.
„Ich verzeihe dir, wenn du einen Kaffee spendierst.“ Ohne auf seine Zustimmung zu warten, winkte sie den Kellner heran und bestellte. Danach kramte sie nach den Zigaretten in ihrer Handtasche und steckte sich eine an.
Frank versuchte derweil einen klaren Kopf zu bekommen. Er wollte der großen blonden Frau nicht wieder so abweisend begegnen, wie letzte Woche in der Bar. Als könne sie Gedanken lesen, nahm Ilka das Thema auf. „Bei unserem letzten Treffen haben wir uns beide nicht sehr rühmlich verhalten. Ich für meinen Teil entschuldige mich und hoffe, du gibst uns noch mal eine Chance?“
Reumütigkeit auch in diesem Fall! Was ist los mit dem Weibsvolk? „Es tut mir auch leid“, log er. „War nicht mein Tag.“
Ilka beugte sich zu ihm über den Tisch und griff nach seiner Hand. Ihre vollen Brüste drückten sich verführerisch aus dem großzügig ausgeschnittenen, schwarzen Top. Darunter sah er den Ansatz eines schwarzen mit Spitzen besetzten BHs. Er ließ seine Hand da wo sie war und fühlte die Wärme ihrer Finger. „Erzähl mir von ihr.“
„Warum?“, fragte er. „Ich empfände es als Qual, wenn die Frau, zu der ich mich hingezogen fühle, von einem anderen Mann schwärmt.“
Sie kräuselte die Augenbrauen und ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Mich dagegen interessiert, was die Konkurrenz soviel besser macht. Warum ich gegen sie verloren habe.“
„Ich habe nie etwas in der Art behauptet.“
„Dein Mund nicht, aber deine Augen sprechen Bände. Also, was ist so besonderes an der kleinen Asiatin?“ Ilka zog schnell ihre Hand zurück, sog tief und etwas zu heftig an ihrer Marlboro und drückte sie dann, halb aufgeraucht, in den Aschenbecher.
„Woher weißt du, dass sie aus Asien kommt?“, fragte er mit frostiger Stimme. Plötzlich schärften sich seine Sinne und er glaubte hinter ihrer Stirn die Neuronen knistern zu hören.
„Ich habe euch zusammengesehen“, antwortete sie gekonnt unbeeindruckt.
„Wo?“ Die Frage knallte aus ihm heraus wie der Schuss einer Pistolenkugel.
„Ich weiß es nicht mehr genau. Du hast sie vor dem Chinarestaurant in der Bahnhofstraße abgeholt. Schätze mal, sie arbeitet da.“ Er nickte. Sein Argwohn gegenüber Ilka löste sich langsam auf. Was sie sagte, ergab Sinn. Andererseits war da ihre kurze, jedoch deutliche Reaktion, als sie merkte, dass sie etwas
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