Die Steinernen Drachen (German Edition)
Rest der schrecklichen Ereignisse der letzten Tage nicht zu verschweigen. So berichtete er vom tragischen Schicksal, das Stefan Kreutzmann widerfahren war und von Ralf Wiegand. Über den Tätowierer kam er zu den Chinesen, die ihn entführt und gefoltert hatten, bevor sie ebenfalls Unbekannten zum Opfer fielen, was ihm wiederum das Leben gerettet hatte.
Die Dunkelheit nahm den Raum ein und Chins betroffenes Gesicht wurde nur noch von einem züngelnden Teelicht erleuchtet, als er endete. Er befürchtete, dass sie ihn jeden Moment vor die Tür setzen würde. Denn es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann man in seiner Gegenwart ermordet wurde.
„Hat dir Meinhans den Pass abgenommen?“, fragte sie stattdessen.
Jetzt war es an ihm, überrascht zu wirken und er schüttelte
den Kopf.
„Dann scheint der Verdacht gegen dich nicht erhärtet zu sein.“
„Trotzdem darf ich nicht ausreisen. Ich fürchte, damit liefere ich den Bullen einen triftigen Grund, mich zu verhaften.“
„Andererseits kannst du niemals deine Unschuld beweisen, wenn du weiterhin untätig herumsitzt. Wenn sie sonst niemand finden, der für den Mord an diesem Zhong in Frage kommt, werden sie früher oder später doch auf dich zurückgreifen. Ganz zu schweigen von dem Schreckensszenario, dass dich erwartet, wenn die Leiche von diesem Kreutzmann auftauchen sollte. Dann lassen sie nicht mehr zu, dass du den Kopf noch aus der Schlinge ziehst. Du warst an beiden Tatorten. Da hilft auch kein Staranwalt mehr. Dir bleibt nichts anderes übrig, als die Wahrheit herauszufinden, um dein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Auf die Polizei würde ich mich nicht verlassen.“
Er dachte über ihre Argumente nach und wünschte sich, sie hätte Unrecht. Die letzte Woche war für seinen Geschmack zu aufregend gewesen und er hätte gern sein altes Leben wieder zurück. Ein bisschen Malen, nachts hinter der Bar stehen, lange in den Tag hineinschlafen. Das alles schien verloren und er befürchtete, dass er sich noch viel intensiver ins Abenteuer stürzen musste, um seinen Alltag wieder zurückzugewinnen.
In Gedanken versunken, fiel ihm nicht auf, dass Chin das Zimmer verließ. Erst das Aufleuchten der Flurlampe brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Suchend drehte er den Kopf nach der Asiatin. Leise wie eine Katze, war Chin in einem anderen Raum verschwunden. Kurz darauf hörte er, wie sie mit jemanden sprach. Er erhob sich mit knackenden Gelenken vom Boden und folgte der Stimme. Sie stand im halbdunklen Schlafzimmer und telefonierte in einer fremden Sprache. Ihre Blicke trafen sich und er fühlte sich beim Spionieren ertappt. Ohne Umschweife ging er zurück ins Wohnzimmer, tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab. Doch ehe er ihn fand, war sie hinter ihm und führte seine Hand an ihre Wange.
Ihr Gesicht fühlte sich warm und weich an. Chin küsste seinen Daumen, der sich auf ihre vollen Lippen legte. „Du solltest jetzt gehen. Pack ein paar Sachen ein, aber nur das Nötigste. Es kann sein, dass wir schnell aufbrechen müssen. Ich melde mich morgen bei dir, sobald ich weiß, wann wir los können. Nimm dein Handy mit, wenn du aus dem Haus gehst.“ Mit diesen Worten drängte sie ihn zur Wohnungstür.
Er wollte etwas dagegen einwenden, doch sie presste ihren Mund auf den seinen und saugte ihm die Worte aus dem Rachen. Sie schmeckte nach mehr, süß und verführerisch, doch ehe er sich versah, stand er draußen auf der Straße.
Die warme Nachtluft war nicht in der Lage, den Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben. Aus seinem Unterbewusstsein schlich etwas auf ihn zu. Die Angst kam plötzlich und traf ihn unvorbereitet. Er vergaß sein Verlangen nach Chin und machte sich auf zu seinem Wagen. Als er losfuhr, fühlte er sich besser, denn er sah ein, nicht länger davon rennen zu können, sonst würde er unweigerlich verlieren. Er musste sich seinem Gegner stellen.
Die Verschwörung
4. Juli 2003
Das aufdringliche rote Blinklicht seines Anrufbeantworters erregte sofort seine Aufmerksamkeit, als er die Wohnung betrat. Chin will die Nacht doch nicht allein verbringen , schoss ihm durch den Kopf und fiebernd drückte er auf die Taste. Es war Melanie, die fragte, wo er stecke und ihn bat, sich zu melden. Umgehend plagte ihn das schlechte Gewissen, weil er sie zurückrufen sollte, aber bisher keinen Kopf dafür gehabt hatte. In Gedanken formulierte er sich eine Ausrede zurecht, falls sie nochmals anrufen würde. Dann musste er an ihren Bruder denken.
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