Die Steinernen Drachen (German Edition)
und hinterließ Wasserränder auf ihren Schultern. Ihre dunklen Augen blickten emotionslos über ihn hinweg und das Lächeln auf ihren Lippen war verschwunden.
„Ist was passiert?“, fragte er verunsichert und stellte seine Tasse vorsichtig auf den Tisch. Seine Hand zitterte.
„Da war ein Anruf. Du hast geschlafen.“
Ein ungutes Gefühl keimte in seiner Magengegend und breitete sich schnell aus, ohne dass er sagen konnte, warum.
„Wer ist Ilka?“ Die Worte kamen abgehackt, klangen beinahe wie ausgespuckt. Er wurde blass. In seinem Kopf spielten sich mögliche Szenarien darüber ab, was vorgefallen war. Ilka hatte irgendwann angerufen, Lea war ans Telefon gegangen, weil er es im Schlaf nicht gehört hatte. Was hatte sie Lea gesagt? Eine bittere Ahnung beschlich ihn, wenn er in die Augen der Asiatin sah. Hatte Ilka ihr unverfroren reinen Wein eingeschenkt und aus ihrer Sicht klare Verhältnisse geschaffen? Er versuchte hinter Leas versteinerter Fassade einen Hinweis darauf zu finden, aber jegliche Emotion blieb ihm verborgen.
„Ich gehe jetzt.“
„Bitte bleib. Wir sollten darüber sprechen.“
„Ich will nicht.“
„Es ist nichts zwischen Ilka und mir“, beteuerte er und
spürte, wie sein Innerstes wie trockene Erdklumpen zu bröckeln begann.
„Behaupte ich das? Ich wollte nur wissen, wer sie ist?“
„Was hat sie dir gesagt?“
„Nichts. Sie wollte dich sprechen. Warum sollte sie mir etwas sagen?“
Frank fühlte eine Schlinge um seinen Hals, die sich immer enger zusammenzog, je länger das Verhör dauerte. Soeben hatte er sich in eine prekäre Lage manövriert. Lea blieb unterkühlt und gab sich teilnahmslos. Sie stand vor ihm, die rote Jacke über dem Arm und sah demonstrativ auf die Uhr. „Es wird Zeit für mich.“
Da er sich im Moment nicht in der Lage fühlte, die Situation zu bereinigen, ließ er sie gehen. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, stürmte er ins Bad und kotzte den Kaffee in die Kloschüssel. Im ersten Moment schaffte er es nicht, sich wieder aufzurappeln und blieb vor der Toilette sitzen. Immer wieder spulte er die Ereignisse der letzten Minuten vor seinem inneren Auge ab. Er hatte sich gerade selbst an den Abgrund geredet. Ilka hatte Lea womöglich gar nichts gesteckt. Nur durch sein dummes Verhalten hatte er sich verdächtig gemacht und Leas vage Vermutung bestätigt.
Nach einigen Minuten zog er sich an dem Waschbecken hoch. Aus dem Spiegel über dem Waschbecken blickte ihm ein Idiot entgegen.
Der Beginn einer langen Nacht
5. Juli 2003
Trotz der immer noch vorherrschenden 24 Grad fühlte sich die Nachtluft angenehm an und reinigte die Gedanken. Er fuhr mit offenem Fenster. Ein kalter Schauer saß ihm im Nacken, was nicht unbedingt der gemäßigten Außentemperatur zuzuschreiben war. Der Vorfall in Melanies Wohnung erschien ihm von Minute zu Minute unwirklicher und machte ihm Angst. Phasenweise hatte er den Eindruck, dass nichts von alldem tatsächlich passiert war. Vieles, was ihm in der letzten Woche zugestoßen war, passte zwar in ein schlecht gemachtes B-Movie, aber nicht in die reale Welt – nicht in seine Welt. Tote Menschen, mysteriöse Drachen und eine asiatische Prinzessin gehörten einfach nicht ins bodenständige Schwabenland.
Dann wiederum brach die bittere Erkenntnis wie eine baufällige Brücke über ihn zusammen und all die absurden Ereignisse der letzten Tage stürzten auf ihn ein. Die Einschläge der Trümmerteile verursachten tiefe Löcher und Risse in seinem Inneren. Die Vibrationen des Aufpralls ließen seinen Körper erbeben und ebbten nur langsam ab. Nein, das Zittern kam keineswegs von der lauen Brise, die durch das offene Fenster ins Wageninnere wehte. Ich bewege mich bereits im Grenzbereich des Wahnsinns.
Aus unerfindlichen Gründen fuhr er an der Bar vorbei. Es war kurz nach halb eins. Durch die Fensterfront zur Straße schimmerte noch schwaches Licht. Irgendjemand, vielleicht Sylvia, machte gerade die Abrechnung. Er sehnte sich nach einem Drink, hatte den herben Geschmack von Wodka schon auf der Zunge und bildete sich ein, das Brennen im Rachen zu fühlen. Aber er brauchte einen klaren Kopf. Daher unterdrückte er dieses Verlangen und trat das Gaspedal wieder durch. Der Wagen beschleunigte träge und heulte wie ein gequälter Hund die Bahnhofstraße hoch, bis ihn oben an der Kreuzung das Rotlicht der Ampel bremste.
Das Gehirnkino projizierte im Wechsel die Gesichter der Frauen an seine Netzhaut, die das Auftreten
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