Die Steinernen Drachen (German Edition)
eines Asiaten im schwarzen Anzug wieder in sein Leben gespült hatte. Frauen, an die er lange nicht mehr gedacht hatte und von denen bis vor einer Woche nur noch verschwommene Bilder in seinem Kopf existierten. Lea, Ilka, Bettina und Melanie verschmolzen vor seinem inneren Auge zu einem unscharfen Flimmern, lösten sich voneinander und überlagerten sich erneut. Sie geisterten vor ihm herum, als wollten sie ihn verhöhnen. Der Versuch, die fantastische Projektion fortzuwischen, scheiterte. Was verband diese vier Frauen? Sein Verstand suchte nach Erklärungen und Zusammenhängen.
Er war ursprünglich davon ausgegangen, dass die vier sich durch sein Zutun begegnet waren. Nach langem Nachdenken wurde ihm klar, dass er nie mit Lea in einem der Clubs war, in denen sich die Zwillinge für gewöhnlich herumtrieben und Ilka ihr niemals in der Bar begegnet sein konnte. Er konnte sich an kein Bild erinnern, an denen er die vier auf einem Haufen vor sich hatte. Trotzdem hatten sie untereinander eine Art Verbindung hergestellt. Es war etwas vorgefallen, dass eine Kette von Ereignissen ausgelöst hatte: Etwas, was hinter seinem Rücken abgelaufen war, etwas, was vor knapp einem Jahr zu Leas Verschwinden geführt hatte, etwas Gefährliches, das noch nicht vorbei war!
Letzteres wurde ihm nach dem Besuch bei den Zwillingen klar. Zumindest Bettina war tiefer in diese tödlichen Geschehnisse der letzten Tage involviert und er ärgerte sich, dass er nicht noch mehr erfahren hatte. Doch bei vorgehaltener Pistole hatte er sich nicht in der Lage gefühlt, weitere Fragen zu stellen und er bereute seine Bemerkung über Kreutzmanns Tod. Bettina könnte sofort zur Polizei gegangen sein, falls sie in ihrem Zustand die Tragweite seiner Äußerung realisierte, vorausgesetzt sie hatte nicht selbst etwas zu verbergen. Wird der Tod ihres Bruders sie noch mehr in den Irrsinn treiben? Hatte Bettina seinen Worten überhaupt einen Funken Glauben geschenkt? Ist Kreutzmann überhaupt tot?
Für einen kurzen Augenblick zweifelte er tatsächlich daran. War das nur ein Teil der surrealen Welt, die meine angeschlagene Psyche sich gerade zusammen spinnt? Bizarre Fantasien oder Realität? Er schüttelte den Kopf und hoffte dadurch die Wirklichkeit von der Scheinwelt zu trennen. Die Ampel schaltete auf grün und er gab Gas. Der sofort einsetzende Fahrtwind half erneut seine Sinne zu klären. Stefan Kreutzmann war tot! Nein, er hatte ihn gesehen, berührt, seinen kalten Schweiß, den Urin und das Blut gerochen. Und er hatte gesehen, wie Kreutzmanns Seele aus seinem Körper geflossen war, davonschwebte und dabei den eisigen Hauch des Todes zurückgelassen hatte. Bettina wusste jetzt davon. Sie konnte Meinhans alarmieren. Dann war es vorbei mit seiner Reise nach Laos.
Fragmente der vielen Dinge, die ihm die Ethnologin über das fremde Land erzählt hatte, geisterten durch seinen Kopf. Er versuchte die politische und wirtschaftliche Situation abzuschätzen und sie in Einklang mit den Traditionen, der Religion und Mythen zu bringen, auf die sie gestoßen waren. Rieben sich Kommunismus und Buddhismus gegeneinander auf, oder konnte beides unabhängig voneinander oder gar im Gleichklang existieren? Wie viel Einfluss hatte die verstoßene Königsfamilie noch in diesem Land? Wie passte die Mythologie des Drachen in diese Welt? Alle seine Überlegungen endeten grundsätzlich mit Fragen, auf die er keine Antwort fand. Es schien unausweichlich zu sein, nach Laos zu reisen. Was wird ihn in diesem unbekannten Land tatsächlich erwarten, sollte er je dorthin gelangen?
Chin schien diesbezüglich optimistisch zu sein. Allerdings hatte sie auch nicht Kommissar Meinhans im Nacken und keine Fingerabdrücke an einer Leiche hinterlassen. Hat der Sumomann alle Spuren in Kreutzmanns Apartment beseitigt? Melanie war nichts Bedenkliches aufgefallen, als sie in der Wohnung ihres Bruders war. Sicherlich hatte sie nur oberflächlich geschaut . Die Spurensucher der Kriminalpolizei waren ein anderes Kaliber. Wenn die sich Kreutzmanns Wohnung vornehmen, sitze ich schneller hinter Gitter, als mir lieb ist! Doch dafür brauchen sie erstmal einen Anlass: Kreutzmanns Leiche!
Immer noch konnte er sich keinen Reim darauf machen, warum Kham sie beseitigen ließ. Hingegen befürchtete er, dass ihm der Anwalt früher oder später eine Rechnung dafür präsentieren würde. Bisher erhielt ich immer meine Rechnung!
Doktor Beate Schleissner-Behr kam ihm in den Sinn. Im selben Moment fragte er sich,
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