Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
Kibwana was? Ein berühmter Künstler, zumindest hier in der Gegend. Künstler und Architekt . . .« Mr Nkari warf ihnen einen kurzen, prüfenden Blick zu. »Sagt euch nichts. Na ja. Ihr werdet ihn sicher noch kennenlernen.« Er grinste. »Er kommt nämlich jeden Tag vorbei und hat an allem was auszusetzen.«
Jetzt erkannte Elinn auch die Bäume, die sich hinter dem Museumsbau erhoben. Man hatte ihre Äste hochgebunden, sodass sich seltsam trichterartige Wipfel ergaben. Und darin hingen die großen, durchsichtigen Kugeln, die sie von Weitem gesehen hatten.
»Was ist das?«, fragte Elinn.
»Soweit ich es verstanden habe, soll das den Stammbaum der Menschheit darstellen«, erklärte Mr Nkari. »Aber das wird euch der Künstler selber erklären. Er erklärt es jedem, der nicht schnell genug Reißaus nimmt.«
Er hielt vor einem Gebäude, vor dem ein großer Parkplatz entstand. Die gläserne Front war mit eingelassenen Ornamenten verziert und an einer geschwungenen Wand aus orangefarbenen Steinen, die zum Eingang führte, prangte eine lange Reihe großer Porträts ernst dreinblickender Männer und Frauen. Darunter standen Namen: Louis Leakey, Mary Leakey, Jonathan Leakey, Richard Leakey, Maeve Leakey . . .
»Das sind sie«, stellte Carl fest.
»Ja«, sagte Mr Nkari.
»Sie sind alle … weiß!«, entfuhr es Elinn.
Mr Nkari lachte auf. »Kind, nicht alle Afrikaner sind dunkelhäutig. Bei Weitem nicht.« Er deutete auf das erste der Porträts, auf dem der Mann einen steifen, altmodischen Hemdkragen trug. »Die Familie ist Anfang des letzten Jahrhunderts aus Europa eingewandert, aus England, genauer gesagt. Aber bis auf Mary Leakey sind sie alle in Kenia geboren.« Er winkte ab. »Ist ja egal. In der Hauptsache ist es eben ein klangvoller Name hier bei uns.«
»Meine Eltern sind auch aus England eingewandert«, sagte Elinn, den Blick auf die Fotografien gerichtet. »Auf den Mars, meine ich.«
»Also bist du Marsianerin.«
»Und Forscherin«, sagte Elinn.
Mr Nkari musterte sie aufmerksam. »Vor allem bist du völlig erschöpft.« Er ließ den Motor wieder an. »Ich fahre euch zuerst zum Haus, damit ihr euch ausruhen könnt. Die Besichtigung hat erst mal Zeit.« Der Wagen rollte an.
»Es ist die Schwerkraft«, erklärte Carl. »Die macht uns zu schaffen.«
»Die Schwerkraft«, wiederholte Mr Nkari. »Verstehe.«
Es klang nicht so, als verstünde er es wirklich, dachte Elinn, während sie sich wieder zurücklehnte. Was das für eine unerbittliche, unnachgiebige Last war, die einen niederdrückte ohne Pause.
Vielleicht, überlegte sie, verstand es nicht einmal Carl.
Eine Dusche! Urs schloss die Augen, ließ den heißen Wasserstrahl über sein Gesicht laufen. Wunderbar. Ganz bestimmt die herrlichste Dusche seines Lebens. Eine Erlösung geradezu.
Er stellte das Wasser ab, ungern, um sich einzuseifen. Cremiger Schaum, der unfassbar frisch und belebend duftete, nach Limonen, nach exotischen Gewürzen, nach Sandelholz. Noch nie war es ihm so gut gegangen.
Von draußen hörte er Stimmen.
»…wie soll das gehen? Hast du denn nicht gefragt , wie sie hierhergekommen sind?« Das war Mrs Nkari, eine schöne, dunkelhäutige Inderin, die sie sehr herzlich empfangen und sich so gelassen um sie gekümmert hatte, als fielen ihr jeden Tag irgendwelche Kinder aus dem Weltraum ins Haus.
»Natürlich hab ich gefragt«, hörte er Mr Nkari erwidern. »Sie haben es mir auch erklärt. Ich hab es bloß nicht verstanden. Irgendwas, dass sie durch einen der blauen Türme gegangen und hier bei uns herausgekommen sind. Sie behaupten, dass ein paar Kilometer südlich vom Autobahnzubringer auch so ein Turm steht. Oder gestanden hat, was weiß ich.«
Urs verharrte, die Hand am Wasserhahn, und lauschte. Der Schaum auf seiner Haut machte leise, knisternde Geräusche.
»Sie sind es«, sagte Mrs Nkari. »Carl und Elinn Faggan. Sie sehen genauso aus wie im Buch, schau.«
Ein Rascheln. »Und das sind echte Raumanzüge, würde ich sagen«, sagte Mr Nkari.
»George – was verstehst du denn von Raumanzügen?«
Pause. Dann brummte es: »Auf jeden Fall konnte ich sie ja nicht da stehen lassen.«
»Ja, ja. Aber irgendwas stimmt da nicht.«
»Ich rufe nachher in Nairobi an. Bei der Raumfahrtbehörde. Sollen die sich darum kümmern.«
»Ruf erst Amrita an. Sie soll auf dem Rückweg von der Schule bei den Wawerus vorbeigehen und noch ein paar Sachen zum Anziehen für die Jungen mitnehmen. Mit Eunice habe ich schon gesprochen; sie wird was
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