DIE STERBENDE ERDE
Hut mit einer roten Feder.
T'sais beobachtete sie verständnislos. Alle drei waren gleichermaßen unerfreulich, von klebrigem Blut, häßlichem Fleisch und innerer Verderbtheit. Lian schien ihr um eine Spur weniger gemein – er war der Agilere, Elegantere. So sah T'sais ihnen ohne größeres Interesse zu.
Lian warf geschickt Schlingen um die Knöchel des Mannes und der Frau und stieß sie, daß sie auf die Kiesel stürzten. Der Mann ächzte, die Frau begann zu wimmern.
Der Wegelagerer schwenkte spöttisch den Hut und eilte zu der Ruine. Kaum zwanzig Schritt von T'sais entfernt schob er eine Bodenplatte zur Seite und holte Kienholz und Feuerstein aus einer Vertiefung. Ohne Hast machte er ein Feuer. Aus einem Beutel nahm er ein Stück rohes Fleisch, das er über dem Feuer briet. Als es gar war, aß er es bedächtig und schleckte sich schließlich die Finger ab.
Kein Wort war bis jetzt gefallen. Endlich erhob sich Lian, reckte sich und blickte zum Himmel auf. Die Sonne verschwand hinter dem Wall aus dunklen Bäumen, und blaue Schatten senkten sich auf die Lichtung herab.
»Kommen wir zur Sache«, rief Lian. Seine Stimme klang schrill und durchdringend wie Flötentöne. »Als erstes«, er verbeugte sich übertrieben höflich, »versichere ich euch, daß unsere Verhandlungen im Zeichen tiefsten Ernstes und absoluter Wahrheit geführt werden.«
Wieder kramte er in der Vertiefung unter den Bodenplatten.
Er brachte vier kräftige Stöcke zum Vorschein. Einen davon legte er auf die Schenkel des liegenden Mannes, den zweiten schob er darüber und durch die Beine seines Gefangenen, daß er mit nur geringer Kraftanwendung schmerzhaft auf die Schenkel und gleichzeitig die Sitzfläche des Mannes drücken konnte. Er probierte es gleich aus und krähte vor Freude, als der Gefangene laut aufschrie. Dann wendete er mit den beiden anderen Stöcken die gleiche Methode bei der Frau an.
T'sais beobachtete ihn verwirrt. Offenbar beabsichtigte der junge Mann, seinen Gefangenen Schmerzen zuzufügen. War dies hier auf der Erde üblich? Wie sollte sie, die doch nichts von wahrhaft Gut und Böse verstand, es beurteilen können?
»Lian! Lian! Verschont meine Frau. Sie weiß nichts!« flehte der Gefangene den Troubadourbanditen an. »Verschont sie, und alles, was ich besitze, ist euer! Auch werde ich euch mein ganzes Leben lang dienen!«
»Ho!« lachte Lian, daß die Feder auf seinem Hut wippte.
»Danke! Hab Dank für dein Angebot, aber Lian legt keinen Wert auf Brennholz und Rüben. Lian liebt Seide und Gold, das Glitzern blanker Klingen, die aufregenden Laute eines Mädchens beim Liebesspiel. Also, danke – was ich will, ist der Bruder deiner Frau. Wenn sie erst schreit und röchelt, wirst du mir gern verraten, wo er sich versteckt hält.«
T'sais begann zu verstehen. Die beiden Gefangenen hielten mit Informationen zurück, die der junge Mann begehrte. Also fügte er ihnen Schmerzen zu, bis sie in ihrer Verzweiflung verrieten, was er wissen wollte. Sehr klug ausgedacht. Sie selbst wäre sicher nicht auf diese Idee gekommen.
»Nun muß ich mich vergewissern, daß ihr mich nicht geschickt irreführt«, fuhr Lian fort. »Wißt ihr, das können nur Folterqualen verhindern, denn Schmerzen beschäftigen einen zu sehr, als daß man noch Lügen erfinden könnte – also muß man die Wahrheit sprechen.« Er holte ein brennendes Scheit aus dem Feuer und steckte es zwischen die gebundenen Fußgelenke des Mannes, dann setzte er den Folterknebel an der Frau an.
»Ich weiß nichts, Lian!« schrie der Mann verzweifelt. »Ich weiß nichts – ich weiß wirklich nichts!«
Mißvergnügt tat Lian einen Schritt zurück. Die Frau war in Ohnmacht gefallen. Er riß das brennende Scheit aus den Schnüren heraus, die des Mannes Knöchel zusammenbanden, und warf es verärgert ins Feuer zurück.
»Wie ungelegen«, murmelte er, doch dann kehrte seine gute Laune offensichtlich zurück. »Aber was macht es schon. Wir haben viel Zeit.« Er strich über sein spitzes Kinn.
»Vielleicht sagst du die Wahrheit«, überlegte er laut.
»Vielleicht wird doch deine gute Frau mir die Auskunft liefern.« Er brachte sie mit Ohrfeigen und einem Riechfläschchen, das er ihr unter die Nase hielt, wieder zu Bewußtsein. Sie stierte ihn mit leeren Augen in einem aufgedunsenen, verzerrten Gesicht an.
»Habt acht«, mahnte Lian die beiden. »Ich beginne nun mit der zweiten Phase der Befragung. Ich überlege, ich denke, ich theoretisiere. Ich sage, vielleicht weiß der Mann
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