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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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stellte fest, daß bei der Erschaffung deines Gehirns etwas fehlgeraten war – in allem Schönen sahst du nur Häßlichkeit, in allem Guten nur das Böse. Wahre Häßlichkeit, echte Schlechtigkeit hast du nie kennengelernt, denn es gibt sie hier in Embelyon nicht… Solltest du jedoch je auf sie stoßen, fürchte ich um deinen Verstand.«
    »Könnt Ihr meine Einstellung nicht ändern?« rief T'sais flehend. »Ihr seid doch ein großer Zauberer. Muß ich mein Leben freudlos und in Blindheit verbringen?«
    Ein kaum vernehmbarer Seufzer klang durch die Wand.
    »Ja, ich bin ein Magier und kenne jeden Zauberspruch, keine Rune ist mir fremd, keine Beschwörungsformel, kein Bann, kein Talisman. Ich bin Meistermathematiker, der erste seit Phandaal, und doch kann ich nichts für dich tun, ohne deine Intelligenz, deine Persönlichkeit, deine Seele zu zerstören –
    denn ich bin kein Gott. Ein Gott kann allein durch seinen Willen erschaffen und nach Belieben verändern. Ich dagegen bin von meiner Zauberkraft abhängig, von den Formeln, die den Raum auf verschiedenste Weise krümmen.«
    Die Hoffnung schwand aus T'sais' Augen. »Ich möchte zur Erde«, sagte sie schließlich. »Der Himmel der Erde ist ein gleichmäßiges Blau, und eine rote Sonne wandert von Horizont zu Horizont. Ich bin Embelyons müde, wo es keine Stimme außer Eurer gibt.«
    »Die Erde«, murmelte Pandelume. »Ein düsterer Ort, älter als alles Wissen. Früher einmal war sie eine Welt mit wolkenverhangenen Bergen und klaren Flüssen, und ihre Sonne war ein weißglühender Ball. Regen und Wind der Äonen haben ihre Berge abgetragen, und ihre Sonne ist jetzt schwach und rot. Kontinente sind versunken, und neue haben sich gebildet. Millionen Städte streckten ihre Türme in den Himmel und zerfielen. Statt der unzähligen Menschen der alten Zeit hausen ein paar Tausend fremdartiger Seelen auf ihr. Das Böse hat sich auf der Erde breitgemacht – das Böse, verfeinert durch die Zeit… Die Erde liegt im Sterben, im Dunkel, das dem Tod vorausgeht…« Er hielt inne.
    »Und doch habe ich gehört, daß Schönheit auf der Erde zu finden ist«, warf T'sais nun selbst zweifelnd ein. »Ich möchte die Schönheit kennenlernen, selbst wenn es mich das Leben kostet.«
    »Wie willst du die Schönheit erkennen, wenn du sie siehst?«
    »Alle Menschen haben ein Gefühl für Schönheit… Bin ich kein Mensch?«
    »Natürlich bist du ein Mensch.«
    »Dann werde ich auch Schönheit finden und vielleicht sogar…« T'sais brachte das Wort nicht über die Lippen, so fremd war es ihrem ganzen bisherigen Wesen und doch so voll aufwühlendem Versprechen.
    Pandelume schwieg. Schließlich erklärte er:
    »Du magst dich zur Erde begeben, wenn es wirklich dein Wunsch ist. Ich werde dir helfen, so gut ich es kann. Ich vertraue dir Runen an, die dich vor Zauber schützen. Ich werde deiner Klinge Leben einhauchen. Und ich gebe dir einen Rat: Hüte dich vor Männern. Sie machen sich an die Schönheit heran, um ihre Lüste zu befriedigen. Erlaube keinem Vertraulichkeiten …
    Du sollst auch einen Beutel voll Juwelen von mir bekommen, die auf der Erde einen großen Reichtum darstellen.
    Mit ihnen kannst du viel erreichen. Doch warne ich dich, zeige sie nicht offen, denn es gibt Menschen, die schon für ein Kupferstück morden.«
    Schweigen folgte. Die Luft schien irgendwie leer.
    »Pandelume?« rief T'sais. Keine Antwort erfolgte.
    Nach einer kurzen Weile kehrte der Magier zurück. Sie hörte ihn nicht, aber sie spürte seine Anwesenheit.
    »Warte einen Augenblick«, mahnte er sie, »dann tritt ein.«
    T'sais wartete wie befohlen, dann betrat sie das anschließende Zimmer.
    »Auf der Bank zu deiner Linken«, erklärte Pandelume,
    »liegen ein Amulett und ein Beutel mit Edelsteinen für dich.
    Befestige das Amulett um dein Handgelenk. Es wird jeden auf dich gerichteten bösen Zauber abwehren und gegen jenen richten, der ihn anzuwenden gedachte. Es ist eine sehr mächtige Rune, gib gut auf sie acht.«
    T'sais streifte das Amulett über und band den Beutel mit Juwelen so unter ihrem breiten Stoffgürtel fest, daß er nicht zu sehen war.
    »Leg dein Rapier auf den Tisch, stell dich auf die Rune im Boden und schließ die Augen. Ich muß das Zimmer betreten.
    Ich warne dich, versuch nicht, mich zu schauen – die Folgen wären schrecklich für dich.«
    T'sais zog ihre Klinge aus der Scheide, stellte sich auf die metallene Rune und kniff die Augen fest zusammen. Sie hörte einen leichten Schritt, das

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