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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Zeichen der Aumoklopelastianischen Kabbala bemalt war. Er war ein hagerer Braunmann mit rotumränderten Augen und einem fleckig weißen Bart.
    »Wieviel verlangt Ihr?« erkundigte sich Guyal erst vorsichtig.
    »Ich beantworte drei Fragen«, erklärte der Augur. »Für zwanzig Terzen formuliere ich die Antwort in gut verständlicher Sprache; für zehn benutze ich die Zunftsprache, die sich hin und wieder der Zweideutigkeit bedient; für fünf spreche ich eine Parabel, die Ihr selbst deuten müßt; und für einen antworte ich in einer unbekannten Zunge.«
    »Erst müßt Ihr mir jedoch sagen, wie groß Euer Wissen ist.«
    »Ich weiß alles«, versicherte ihm der Augur. »Die Geheimnisse von Rot und die Geheimnisse von Schwarz, die verlorengegangenen Zauber von Großmotholam, ich bin vertraut mit dem Leben der Fischer und der Stimme der Vögel.«
    »Und wie habt Ihr Euer Wissen erworben?«
    »Durch Meditieren«, erklärte der Augur. »Ich ziehe mich in mein Gemach zurück, gestatte auch nicht den kleinsten Lichtfunken um mich, und so, in der Dunkelheit, löse ich alle Rätsel der Welt.«
    »Mit all Eurem wertvollen Wissen«, wunderte sich Guyal,
    »weshalb lebt Ihr dann so armselig, mit nicht einer Unze Fett unter Eurer Haut und mit diesen Lumpen auf Eurem Rücken?«
    Der Augur sprang wütend auf. »Hinaus! Hinaus! Schon jetzt habe ich für fünfzig Terzen meiner Weisheit an Euch verschwendet, der Ihr nicht ein Kupferstück Euer eigen nennt.
    Wenn Ihr kostenlose Auskunft begehrt«, er kicherte höhnisch,
    »dann befrage doch den Kurator.« Schnell schob er den unerwünschten Frager zum Stand hinaus.
    Guyal suchte eine Herberge auf und machte sich am Morgen weiter auf den Weg in nördlicher Richtung. Er ließ die verwüstete Öde der Alten Stadt links liegen und nahm den Pfad zum Fabelwald.
    Viele Tage ritt er nordwärts und blieb, der Gefahr bedacht, immer auf dem Weg. Des Nachts suchte er mit seinem Pferd Unterschlupf im Dehnbaren Ei – eine Hülle, die Muskelkraft, Klauen, Zauber, Druck, Geräuschen und Kälte Einhalt gebot –
    und so ruhte er ungestört und in Sicherheit, trotz aller Anstrengungen der verschiedensten Nachtgeschöpfe, die es auf ihn abgesehen hatten.
    Die große, stumpfrote Kugel der Sonne hing immer tiefer, die Tage wurden kühler, die Nächte bitterkalt, als sich endlich die schroffen Felsen der Berge von Per Aquila am nördlichen Horizont abzeichneten.
    Der Wald war niedriger geworden und weniger dicht, und der hier am häufigsten vorkommende Baum war der Daobado, von wuchtigem runden Wuchs mit kräftigen knorrigen Ästen von tiefem Rotbronze mit kugeligem dunklen Laubwerk. An einem wahren Giganten dieser Spezies vorbei kam Guyal zu einem Dorf aus Lehmhütten. Eine ganze Horde mürrischer Burschen umringte ihn mit neugierigen Gesichtern. Guyal wollte Fragen stellen, genau wie die Dörfler offensichtlich auch, aber die Burschen öffneten nicht einmal den Mund, bis sich nicht ihr Hetman näherte – ein stattlicher Mann mit zotteliger Pelzmütze, einem braunen Fellmantel und wilden Bart, daß es schwer festzustellen war, wo dieser aufhörte und jener anfing. Ein ranziger Gestank ging von ihm aus, der Guyals Magen fast rebellieren ließ, aber als höflicher Mensch ließ er sich nichts anmerken.
    »Wohin wollt Ihr?« fragte der Hetman.
    »Über die Berge zum Museum der Menschheit«, antwortete Guyal. »Könnt Ihr mir den Weg weisen?«
    Der Hetman deutete auf einen Einschnitt in der Silhouette des Gebirges. »Dort ist der Omonapaß, das ist die kürzeste, direkteste Route, aber einen richtigen Weg gibt es nicht.
    Niemand kommt von dort, niemand überquert die Berge, denn hinter dem Paß beginnt unerforschtes Land. Und ohne Verkehr ist ja auch kein Weg nötig.«
    Die Auskunft erfreute Guyal nicht.
    »Woher wollt Ihr dann wissen, daß der Weg zum Museum der Menschheit über den Omonapaß führt?«
    Der Hetman zuckte die Achseln. »Das sagt uns die Überlieferung.«
    Guyal drehte den Kopf, als er ein heiseres Schnauben hörte.
    In einem Pferch aus Flechtwerk mit verdrecktem Stroh sah er mehrere ungeschlachte, etwa acht bis neun Fuß große Männer.
    Sie waren nackt, hatten wirres, schmutziggelbes Haar und wässrig blaue Augen. Ihre Gesichter wirkten wächsern, sie verrieten keine Spur von Intelligenz. Während Guyal sie beobachtete, stapfte einer gemächlich zu einem Trog und begann schmatzend graues, breiartiges Futter zu fressen.
    »Was sind das für Wesen?« erkundigte er sich.
    Der Hetman blinzelte

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