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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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durch den Musik zu hören war.
    Guyal betrachtete weder das Haus, noch achtete er auf das Licht, das aus der Tür fiel. Er stieg vom Pferd und verbeugte sich vor der jungen Frau, die unbewegt auf der Marmorbrüstung saß. Obgleich es sehr kalt war, trug sie nur ein leichtes Gewand in Gelborange, der Farbe der Märzenbecher. Goldbraunes Haar hing lose bis zu den Schultern. Sie wirkte ernst und nachdenklich.
    Als Guyal den Kopf von seiner Verbeugung hob, nickte die junge Frau, lächelte leicht und spielte abwesend mit dem Haar an ihrer Wange.
    »Eine bitterkalte Nacht für Reisende«, murmelte sie.
    »Eine bitterkalte Nacht, um grübelnd zu den Sternen aufzublicken«, erwiderte Guyal.
    Wieder lächelte sie. »Mir ist nicht kalt. Ich sitze und träume… Ich lausche der Musik.«
    »Was ist dies eigentlich für ein Ort?« erkundigte sich Guyal.
    Er blickte straßauf und -ab und sah wieder das Mädchen an.
    »Gibt es außer Euch noch andere Menschen hier?«
    »Die Stadt heißt Carchasel«, erklärte ihm das Mädchen,
    »und ist schon seit zehntausend Jahren verlassen. Nur ich und mein greiser Onkel leben hier, weil wir uns hier Sicherheit vor den Saponiden der Tundra versprechen.«
    Guyal dachte: Diese Frau könnte eine Hexe sein – oder auch nicht.
    »Ihr seid durchgefroren und müde«, stellte die junge Frau fest, »und ich lasse Euch auf der Straße stehen.« Sie sprang von der Balustrade. »Seid willkommen.«
    »Nur zu gern nehme ich Eure Gastfreundschaft in Anspruch«, versicherte ihr Guyal, »doch zuerst muß ich einen Stall für mein Pferd finden.«
    »Oh, es wird sich auch in dem Haus dort unten heimisch fühlen. Wir haben hier keine Ställe.« Guyal, der ihrem deutenden Finger folgte, sah ein niedriges Steingebäude, hinter dessen offener Tür tiefe Schwärze gähnte.
    Er brachte den Schimmel dorthin, nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab und gab ihm zu fressen. Dann blieb er an der Tür stehen und lauschte der Musik, die er schon zuvor gehört hatte.
    Ein seltsames Flöten war es, das ihn an alte Zeiten erinnerte.
    »Merkwürdig, merkwürdig«, murmelte er. Er streichelte das Pferd, das ihn mit dem Kopf gestupst hatte. »Der Onkel macht Musik, das Mädchen starrt allein in die Nacht…« Er überlegte.
    Vielleicht bin ich zu mißtrauisch. Wenn sie wirklich eine Hexe ist, habe ich wohl kaum etwas an mir, das ihr Interesse finden könnte. Sind die beiden jedoch wahrhaftig Flüchtlinge, wie sie behauptet, und lieben Musik, dann gefallen ihnen möglicherweise die Melodien Ascolais', und ich kann ihnen auf gewisse Weise sogar ihre Gastfreundschaft danken. Er griff in die Satteltasche, holte seine Flöte heraus und steckte sie unter sein Wams.
    Dann rannte er zurück zu dem Palast, vor dessen Eingang das Mädchen auf ihn wartete.
    »Ihr habt mir Euren Namen nicht genannt«, erinnerte sie ihn,
    »daß ich Euch mit meinem Onkel bekanntmachen kann.«
    »Ich bin Guyal von Sfere am Scaum in Ascolais. Und Ihr?«
    Sie lächelte und schob die Tür weiter auf.
    »Ich habe keinen Namen. Ich brauche auch keinen. Außer meinem Onkel hat es nie andere Menschen für mich gegeben.
    Und wenn er ruft, kommt niemand außer mir.«
    Guyal starrte sie verblüfft an, bis er sich bewußt wurde, daß sein Staunen zu offensichtlich, ja unhöflich wurde. Vielleicht hielt sie ihn für einen Hexer und fürchtete, ihren Namen zu verraten, damit er ihn nicht für Magie gegen sie benutzen konnte.
    Sie betraten eine Marmorhalle. Die Flötentöne wurden lauter.
    »Ich nenne Euch Ameth, wenn Ihr gestattet«, sagte Guyal.
    »Das ist eine Blume des Südens, so golden und schön und duftend wie Ihr.«
    Sie nickte. »Ihr dürft mich gern Ameth nennen.«
    Nun kamen sie in ein großes, wohlig warmes Gemach, dessen Wände mit Teppichen behangen waren. Ein Feuer prasselte an einer Seite, und daneben stand ein Tisch mit Speisen. Der Flötenspieler saß auf einer Bank daneben. Es war ein alter, ungepflegter Mann. Sein weißes Haar hing in schmutzigen Strähnen den Rücken herab. Sein ebenfalls ungekämmter Bart war nicht weniger schmutzig und gelblich.
    Er trug einen zerlumpten Kittel, der vielleicht noch nie gewaschen worden war, und das Leder seiner Sandalen war brüchig. Eigentümlicherweise nahm er die Flöte nicht von seinen Lippen und blies weiter. Und das Mädchen in Gelb, wie Guyal bemerkte, bewegte sich im Rhythmus zu den Klängen.
    »Onkel Ludowik«, rief sie mit fröhlicher Stimme. »Ich bringe Euch einen Gast, Lord Guyal von Sfere.«
    Guyal blickte dem

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