DIE STERBENDE ERDE
gegrüßt«, erwiderte Guyal vorsichtig. »Ich gehe, wohin mein Stern es bestimmt… Ihr seid Saponiden?«
»Das ist unsere Rasse. Und vor Euch liegt unsere Stadt Sapons.« Er betrachtete Guyal jetzt mit offener Neugier. »Nach Farbe und Schnitt Eurer Kleidung zu schließen ist Eure Heimat im Süden.«
»Ich bin Guyal von Sfere am Scaum in Ascolais.«
»So habt Ihr bereits einen langen Weg hinter Euch«, bemerkte der Saponide. »Viele Gefahren lauern dem Reisenden auf. Eure Dynamik muß beachtlich sein und Euer Stern viel Macht über Euch haben.«
»Ich bin auf einer Pilgerschaft, um meine Seele zu erleichtern, da scheint der Weg kurz, wenn man sein Ziel erreicht.«
Der Saponide schien mit dieser Erklärung zufrieden. »Dann habt Ihr die Fer Aquila-Berge überquert?«
»Das habe ich – im kalten Wind durch trostlose Ode.« Guyal warf einen Blick zurück auf die Felsmassen. »Erst gestern abend erreichte ich das Ende des Passes. Ein Geist schwebte dort über mir, bis ich glaubte, mein Grab sei schon geschaufelt.«
Er hielt erstaunt inne. Seine Worte hatten eine ungewöhnlich heftige Gefühlsregung in den Saponiden hervorgerufen. Ihre Züge spannten sich, ihre Lippen waren weiß und zusammengepreßt. Die höfliche Überlegenheit des Führers hatte kaum verhohlener Besorgnis Platz gemacht, als sein Blick über den Himmel streifte. »Ein Geist…«, murmelte er. »In weißem Gewand, der hoch in der Luft schwebte?«
»Ja. Ist er in dieser Gegend bekannt?« Die Saponiden schwiegen. Erst nach längerer Pause sagte der Führer: »Sein Erscheinen bedeutet, daß Unheil bevorsteht… Aber ich unterbrach Eure Erzählung.«
»Es gibt wenig zu berichten. Ich schlief des Nachts, und am Morgen stieg ich herab in die Steppe.«
»Und Ihr wurdet nicht weiter belästigt? Von Koolbaw, der Gehenden Schlange, die wie das unentrinnbare Schicksal über die Hänge streift?«
»Ich sah weder eine gehende Schlange noch eine kriechende Echse. Ein Segen schützt meinen Weg. Solange ich ihn nicht verlasse, kann mir kein Leid geschehen.«
»Interessant. Sehr interessant!«
»Nun gestattet mir, Euch ein paar Fragen zu stellen. Es gibt so vieles, was mich hier interessiert. Zum Beispiel, was ist das für ein Geist, und welche Art von Unheil kündet sein Erscheinen?«
»Ihr fragt mehr, als ich beantworten kann«, erwiderte der Saponide vorsichtig. »Es ist besser, von diesem Geist überhaupt nicht zu sprechen, damit unsere Gedanken seine Furchtbarkeit nicht noch verstärken.«
»Wie ihr meint«, brummte Guyal. »Aber vielleicht könnte Ihr mir sagen…« Er biß sich auf die Zunge. Ehe er sich nach dem Museum der Menschheit erkundigte, war es angebracht, herauszufinden, wie die Saponiden dazu standen. Denn wie leicht mochten sie versuchen, ihn davon fernzuhalten, wenn sie erfuhren, wieviel ihm daran gelegen war, es zu erreichen.
»Ja?« frage der Saponide. »Was wolltet Ihr gern wissen?«
Guyal deutete auf die pockennarbige, verbrannte Erde hinter dem Stein- und Holzzaun. »Welcher Art ist diese Verwüstung?«
Der Saponide blickte mit ausdruckslosem Gesicht über den Zaun und zuckte die Achseln. »Es ist einer der uralten Orte, so viel weiß man, nicht mehr. Der Tod lauert dort, überquert man ihn, verfällt man dem schrecklichsten Zauber, der eine bösartige Krankheit mit unheilbaren Geschwüren herbeiführt.
Hierher bringen wir jene, die den Tod verdient haben … Doch genug. Ihr möchtet Euch sicher in Sapons ausruhen und erfrischen. Kommt, wir begleiten Euch.«
Er schritt den Weg zur Stadt voran, und Guyal, dem keine Ausrede und eigentlich auch kein Grund einfiel, sich nicht in der Stadt zu erholen, folgte ihm auf dem Pferd.
Als sie sich der bewaldeten Anhöhe näherten, wurde der Weg zur Straße. Rechts hinter Dickichten aus purpurfarbenem Rohr lag der See. Vor Anlegestegen aus schweren schwarzen Balken wiegten sich Boote in der sanften Brise. Sie waren sichelförmig, mit hoch aus dem Wasser ragenden Hecks.
Weiter führte die Straße zur Stadt mit Holzhäusern in warmen Brauntönen bis zum verwitterten Schwarz in kunstvoller Bauweise. Fast alle Häuser waren drei Stockwerke hoch, mit spitzen Giebeldächern, die an der Vorder- und Rückseite weit über die Fassade herausragten. Die Säulen und Pfeiler waren mit komplexen Mustern gestaltet: vielfach verschlungene Schleifen, Ranken, Blätter, Echsen und vieles mehr. Auch die Fensterläden waren ähnlich verziert, mit laubwerkähnlichen Ornamenten, Tierköpfen, Sternen. Es war
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