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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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persönlich widerstrebt, bin ich gezwungen, Euch der Ungehörigkeit, des Frevels und der Mißachtung und Unverfrorenheit schuldig zu erkennen.
    Darum, als Vogt und Offiziersleser der Litanei und somit zuständig für die Verhaftung von Gesetzesbrechern muß ich Euch festnehmen, arretieren, inhaftieren, in den Kerker stecken und gefangenhalten lassen, bis das Urteil über Euch ausgesprochen ist.«
    »Aber das Ganze ist doch reiner Hohn!« wütete Guyal. »Seid Ihr vielleicht Barbaren, daß Ihr einem einsamen, harmlosen Reisenden so übel mitspielt?«
    »Durchaus nicht«, wehrte der Vogt ab. »Wir sind hochzivilisiert, mit einer uralten Verfassung und nicht weniger alten Sitten. Und da die Vergangenheit ruhmreicher als die Gegenwart war, weshalb sollten wir da die überlieferten Gesetze mißachten?«
    Nach kurzer, düsterer Überlegung erkundigte sich Guyal:
    »Und was ist die übliche Strafe für meine Übertretung?«
    Der Vogt machte eine beruhigende Handbewegung. »Das Gesetz sieht drei Sühnetaten vor, die in Eurem Fall gewiß milde ausfallen werden. Aber – die Form muß gewahrt bleiben.
    Es ist deshalb erforderlich, Euch in den Kerker zu stecken.« Er winkte den Männern zu, die Guyal festhielten. »Fort mit ihm.
    Überquert weder Straße noch Weg, damit Euer Griff nicht erschlafft und er der Strafe entzogen wird.«
    Guyal wurde in einen gutgelüfteten, aber nur schwach beleuchteten Keller gebracht. Der Boden war trocken, die Decke frei von lästigen Insekten. Man hatte ihn weder durchsucht noch den Leuchtenden Dolch aus dem Gürtel gezogen. Von quälendem Argwohn erfüllt, ließ er sich auf dem Strohlager nieder und schlief nach einer Weile sogar ein.
    Fast ein ganzer Tag verging. Man brachte ihm zu essen und zu trinken, und schließlich trat der Vogt in seine Zelle.
    »Ihr seid wahrhaftig vom Glück begünstigt«, sagte der Saponide, »mich als Augenzeugen zu haben. So konnte ich darauf hinweisen, daß Euer Vergehen eher als Folge von Leichtsinn denn von Böswilligkeit anzusehen ist. Die letzten Strafen für dieses Verbrechen waren sehr streng. Der Schuldige wurde zu folgenden drei Sühnetaten verurteilt: Als erstes mußte er seine Zehen abschneiden und die abgetrennten Gliedmaßen an die Haut um seinen Hals nähen. Zweitens wurde er gezwungen, drei Stunden lang die Ehre seiner Vorfahren zu beschmutzen, angefangen mit dem Allgemeinen Akt des Anathemas, einschließlich vorgetäuschten Wahnsinns und ererbter Fallsucht, und schließlich den Herd seines Clans mit Kot zu besudeln. Und drittens sollte er eine Meile mit Bleischuhen über den Seegrund schreiten und nach dem verlorenen Buch Keils suchen.« Selbstgefällig betrachtete der Vogt seinen Gefangenen.
    »Und welche Sühnetaten beschloß man für mich?« fragte Guyal trocken.
    Der Vogt preßte die Fingerspitzen aneinander. »Wie schon gesagt, der Woiwode hat sich zu einer minimalen Strafe für Euch herabgelassen. Als erstes müßt Ihr schwören, einer Wiederholung Eures Verbrechens zu entsagen.«
    »Das werde ich nur zu gern tun«, versicherte ihm Guyal.
    »Zweitens«, fuhr der Vogt mit einem dünnen Lächeln fort,
    »müßt Ihr einer Zurschaustellung weiblicher Schönheit Vorsitzen und unter den Maiden der Stadt jene bestimmen, die in Euren Augen die Lieblichste ist.«
    »Gewiß keine unangenehme Aufgabe«, kommentierte Guyal. »Wie komme ich zu dieser Ehre?«
    Der Vogt blickte zur Decke. »Nun, da ist ein sehr triftiger Grund. Keiner der Bürger dieser Stadt wäre absolut unparteiisch, denn es gibt keinen, der nicht mir irgendeinem der Mädchen auf irgendwelche Weise verwandt wäre – sei es nun Tochter, Nichte, Schwester, Base, Enkelin. Objektiv zu bleiben würde ihm dadurch gewiß schwerfallen. Euch, als Fremden, jedoch, könnte man Begünstigung gewiß nicht vorwerfen. Deshalb seid Ihr für dieses Ehrenamt am besten geeignet.«
    Die Worte klangen ehrlich. Trotzdem fragte sich Guyal, weshalb man der Erwählung der Schönsten der Stadt eine offenbar so große Bedeutung beimaß.
    »Und drittens?« fragte er.
    »Das werdet Ihr nach dem großen Ereignis, das heute nachmittag stattfindet, erfahren.«
    Der Saponide verließ die Zelle.
    Guyal, der durchaus nicht ohne Eitelkeit war, benutzte die nächsten Stunden, sein von der Reise mitgenommenes Gewand in Ordnung zu bringen und sich zu waschen, die Bartstummeln abzuschaben und die Haare ein wenig zu stutzen. Als der Vogt ihn abholte, war er überzeugt, kein schlechtes Bild zu machen.
    Er wurde auf die Straße

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