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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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verwandeln kann. Verschwiegen schreitet sie voran, Tag für Tag, Stunde für Stunde, Schritt für Schritt, und verspritzt unmerklich ihr Gift bei ihrer heimlichen Arbeit, die so taktvoll und vorsichtig ist, dass wir niemals einen Stoß spüren, nie einen Schreck bekommen. Morgen für Morgen erscheint sie mit beruhigender, unveränderlicher Miene und beschwichtigt uns mit dem Gegenteil dessen, was geschieht: Alles ist gut, nichts wandelt sich, alles ist wie gestern – das Gleichgewicht der Kräfte –, nichts ist gewonnen, nichts verloren, unser Gesicht ist dasselbe und auch unser Haar und unsere Figur, wer uns hasste, hasst uns noch, wer uns liebte, liebt uns noch. In Wirklichkeit geschieht das Umgekehrte, nur lässt sie es uns mit ihren verräterischen Minuten, ihren tückischen Sekunden nicht merken, bis der befremdliche, unerdenkliche Tag kommt, an dem nichts mehr ist, wie es war: an dem zwei vom Vater beschenkte Töchter diesen bettelarm auf einem Heuboden sterben lassen und Testamente verbrannt werden, die den Lebenden nicht genehm sind; an dem Mütter ihre Kinder berauben, Männer ihre Frauen bestehlen, Frauen ihre Männer umbringen, indem sie sich der von ihnen erweckten Liebe bedienen, um sie irr oder blöde zu machen, damit sie ungestört mit einem Liebhaber leben können; an dem andere Frauen dem Kind der ersten Ehe Tropfen eingeben, die seinen Tod herbeiführen müssen, damit das andere Kind reich wird, das der Liebe, die sie nun tatsächlich empfinden, auch wenn sie nicht wissen, wie lange sie vorhalten wird; an dem eine Witwe, die Stellung und Vermögen von ihrem Soldatenmann erbte, der in der Schlacht von Eylau bei kältester Kälte fiel, diesen verleugnet und als Schwindler hinstellt, als es ihm nach Jahren und Mühen gelingt, von den Toten zurückzukehren; an dem Luisa nun Díaz-Varela, den sie so lange auf sich hatte warten lassen, ihrerseits anflehen wird, sich nicht von ihr zu trennen, sondern bei ihr zu bleiben, und ihrer früheren Liebe zu Deverne abschwört, die herabgewürdigt werden und nichts mehr bedeuten wird, sich nicht mit der wird vergleichen können, die sie nun ihm bekundet, diesem zweiten unbeständigen Mann, der damit droht, sie zu verlassen; der Tag, an dem es Díaz-Varela sein wird, der mich anfleht, nicht fortzugehen, bei ihm zu bleiben und für immer mit ihm das Kopfkissen zu teilen, und er wird sich über die verbohrte, naive Liebe lustig machen, die er so lange Zeit für Luisa empfand und die ihn dazu trieb, einen Freund zu ermorden, wird sich und mir sagen: ›Wie blind ich war, wie ist es möglich, dass ich dich nicht sah, zur rechten Zeit‹; der befremdliche, unerdenkliche Tag, an dem ich die Ermordung Luisas planen werde, die zwischen uns steht, ohne überhaupt zu wissen, dass es ein ›uns‹ gibt, und gegen die ich gar nichts habe, und vielleicht führe ich sie sogar aus, alles ist möglich an diesem Tag. Ja, all das ist eine Frage dieser nervenaufreibenden Zeit, aber die unsere wurde unterbrochen, für uns schreitet sie nicht mehr voran, die festigende, verlängernde, die zugleich zersetzt, zerstört und das Blatt sich wenden lässt, was niemand je bemerkt. Mich wird dieser Tag nicht ereilen, für mich gibt es kein ›später‹, kein ›hiernach‹, wie es auch keins für Lady Macbeth gab, ich bin gefeit gegen diesen Aufschub, ob zum Wohl oder zum Schaden, das ist mein Unheil und mein Glück.
    »Wer hat dir gesagt, dass ich nicht in dich verliebt bin? Was weißt du schon, nie habe ich mit dir darüber gesprochen. Du hast mich nie gefragt.«
    »Na komm schon, übertreib nicht«, antwortete er kaum erstaunt. Seine letzten Worte waren Theater gewesen, er wusste, woher der Wind wehte, was ich empfand oder was ich bis vor zwei Wochen empfunden hatte. Vielleicht empfand ich es auch jetzt, doch nun war befleckt und vermengt, was sich nicht beflecken oder vermengen darf, zumindest nicht bei den Verliebtheiten. Er wusste, woher der Wind wehte, wer geliebt wird, spürt das immer, sofern er seine Sinne beieinander hat und sich nicht selbst danach sehnt, denn wer sehnt, der spürt nicht richtig, interpretiert die Zeichen falsch. Doch er war frei davon, es war ihm nicht lieb, dass ich ihn liebte, und er hatte mich auch kaum ermutigt, das musste man gerechterweise zugeben. »In dem Fall«, fügte er hinzu, »wärst du über deine Entdeckung nicht ganz so entsetzt, hättest nicht so schnell deine Schlüsse gezogen. Du wärst in höchster Unruhe, in Erwartung einer annehmbaren

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