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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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die Gelegenheitstreffen bei ihm, in ein, zwei Zimmern, was kümmerte mich alles Übrige, wohin er ging, woher er kam, seine Vergangenheit, seine Freundschaften, seine Pläne, seine Flirts, ja sein Leben überhaupt, in dem ich bisher nicht gewesen war, es auch im
hereafter
nicht sein würde, weder hiernach noch fortan, unsere Tage waren gezählt und ihr Countdown niemals fern gewesen. Doch sosehr all das stimmen mochte, es stimmte nicht im Geringsten: Ich hatte Neugier verspürt, war aufgewacht, als ich ein Schlüsselwort aufgeschnappt hatte – vielleicht ›Typin‹ oder ›kennt‹ oder ›Frau‹ oder bestimmt die Kombination aller drei –, war aufgestanden, hatte gehorcht, einen winzigen Spalt geöffnet, um besser zu hören, hatte mich gefreut, als er und Ruibérriz ihre Stimmen nicht hatten dämpfen, nicht hatten flüstern können, die Aufregung hatte es verhindert. Ich begann mich zu fragen, warum ich das getan hatte, und gleich anschließend begann ich zu bereuen: Weshalb musste ich wissen, was ich wusste, weshalb war mir der Gedanke gekommen, weshalb war es mir nicht mehr möglich, die Arme auszustrecken, ihn um die Taille zu fassen und an mich zu ziehen, es wäre so einfach gewesen, meine Schulter allein mit dieser Bewegung, vor wenigen Minuten noch natürlich und einfach, von seiner Hand zu befreien; warum konnte ich ihn nicht dazu bringen, mich unverzüglich und unbeirrt zu umarmen, da waren seine geliebten Lippen, wie immer verlangte ich danach, sie zu küssen, und wagte es nicht, oder etwas an ihnen stieß mich ab, sosehr sie mich auch anzogen, oder das Abstoßende lag nicht an ihnen – den armen, schuldlosen –, sondern an ihm als Ganzem. Ich liebte ihn noch und fürchtete ihn, ich liebte ihn noch und verabscheute das Wissen um seine Tat; nicht ihn, sondern mein Wissen.
    »Was soll die Fragerei«, sagte ich ungezwungen. »Was weiß denn ich, was mich geweckt hat, ein schlechter Traum, eine schlechte Stellung, zu wissen, dass ich die kostbare Zeit mit dir nicht nutze, ich weiß nicht, ist doch egal. Und weshalb sollte es mich kümmern, was dir dieser Mann erzählt, ich wusste ja nicht mal, dass er hier war. Ich habe mir den Büstenhalter angezogen, weil es nicht das Gleiche ist, ob du mich liegend aus nächster Nähe, in zuckenden Bildern siehst oder aufrecht durch die Wohnung spazierend, als hielte ich mich für ein Model, das für Victoria’s Secret über den Laufsteg stelzt, oder für besser noch, denn letztlich tragen die ja immer Dessous. Muss man dir etwa alles erklären?«
    »Was willst du damit sagen?«
    Er wirkte tatsächlich verblüfft, verständnislos, und eben das – die Verlagerung seines Interesses, die Ablenkung – gab mir zeitweilig einen leichten Vorteil, ich dachte, dass er nun aufhören würde, mir tückische Fragen zu stellen und ich endlich wegkam, ich hatte das dringende Bedürfnis, diese Hand abzuschütteln, ihn nicht mehr sehen zu müssen. Obwohl mein früheres Ich, das auch noch umhergeisterte – das noch nicht ausgewechselt oder ersetzt worden war, wie denn so schnell; und auch nicht widerrufen oder verbannt –, keinerlei Eile hatte, wegzukommen: Nie hatte es bei einem Fortgang gewusst, wann es zurückkehren würde oder ob überhaupt.
    »Was für Tölpel seid ihr Männer doch manchmal«, sagte ich wohlüberlegt, ich hielt es für ratsam, einen Gemeinplatz loszulassen und das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, es auf ein vulgäreres Terrain zu führen, das meist harmloser, vertrauenerweckender ist, und auf dem der andere die Deckung fallenlässt. »An manchen Zonen halten wir Frauen uns bereits mit fünfundzwanzig oder dreißig für gealtert, geschweige denn mit zehn Jahren mehr. Wir vergleichen uns mit uns selbst, prägen uns jedes dahingegangene Jahr ein. Deshalb stellen wir diese Zonen nicht gern zum falschen Zeitpunkt und frontal zur Schau. Nun gut, mich verlockt das nicht, aber vielen ist es egal, die Strände sind voll von solchen nicht nur frontalen, sondern brutalen, ja katastrophalen Zurschaustellungen, eingeschlossen die, die sich ein paar steife Klötze haben aufsetzen lassen und glauben, damit jedes Problem gelöst zu haben. Die meisten hinterlassen einen üblen Nachgeschmack.« Ich lachte kurz wegen der gewählten Wendung und fügte eine weitere derselben Kategorie hinzu: »Es läuft einem dabei kalt den Rücken runter.«
    »Ach so«, sagte er und lachte ebenfalls kurz, ein gutes Zeichen. »Ich habe noch keine gealterte Zone an dir entdeckt,

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