Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
darum zu tun, daß ihre Verbindung mit einem Mann so ehrenhaft wie möglich besiegelt wird! Nein, nein, mein Schatz, ich will dich ganz, mit Leib und Seele für immer!«
»Verstehen Sie doch... ich habe einen anderen Mann sehr geliebt und ich kann einfach nicht...«
»O nein, bitte nicht«, Nicolas hob abwehrend die Hände, »wirklich, Mary, verschone mich damit! Es klingt sehr lieblich, was du sagst und zudem überaus rührend, aber gib bloß acht, daß du nicht selber zuviel Gefallen daran findest, ein Leben lang einer zerstörten Jugendliebe nachzutrauern. Das kann reizvoll sein, aber du bist einfach zu jung dazu. Du warst sechzehn, als er starb, und weder dir noch mir kannst du einreden, daß du darüber nicht hinwegkommst! «
Erschüttert sah sie ihn an. Wie konnte er so grausam mit ihr sprechen?
»Was wissen Sie schon von Liebe?« sagte sie schließlich bitter, »haben Sie je ein wahres Gefühl an einen Menschen verschwendet? Verschwenden Sie eines an mich? Ich frage Sie noch einmal, Nicolas, weshalb sind Sie hergekommen? Doch bestimmt nicht in der Absicht, mich zu heiraten!«
»Ich sagte schon, ich bin gekommen, um zu sehen, was aus dir geworden ist. Ich habe viel an dich gedacht, Mary. An deine blauen Augen, dein schönes rotes Haar, an die Art, wie du läufst und den Kopf hochhältst, wie deine Stimme scharf wird, wenn du dich über irgend etwas entrüstest. Und weißt du, du bist tatsächlich noch schöner, als ich dich in Erinnerung hatte.«
Ohne es zu wollen, erwiderte Mary: »Ich sehe furchtbar aus heute. «
»Nein, das tust du nicht!« Er nahm wieder ihre Hände und neigte sich zu ihr hin; in seinen dunklen Augen standen Verlangen und ein Ausdruck, den Mary bei jedem anderen als bei ihm für Verliebtheit gehalten hätte. Er wollte sie küssen, aber sie wandte ihr Gesicht ab.
Als sie ihn wieder anschaute, musterten seine Augen sie kühl.
»Paß auf, Mary, ich habe keine Lust, hier ewig herumzustehen, ich erfriere in diesem verdammten Zimmer sowieso gleich. Du hast genau zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst hier und läßt dich von deinem Vater schikanieren, oder du heiratest mich und kommst mit nach London. Du kannst ja darüber nachdenken, was du vorziehst.«
»Das ist Erpressung!«
»Aber nein. Ich lasse dir die Freiheit der Wahl.«
»Warum tun Sie das? Warum wollen Sie Ihre Unabhängigkeit aufgeben?«
»Sorge dich nicht darum. Ich weiß, was ich tue.« Mit zwei Schritten war Nicolas an der Tür und öffnete sie.
»Ich gehe ins Wirtshaus und miete mir ein Zimmer«, sagte er, »bis morgen bitte laß mich wissen, was du entschieden hast. Länger warte ich nämlich nicht!«
Scheppernd fiel die Tür hinter ihm zu. Mary hörte, wie seine Schritte auf der Straße verklangen. Verwirrt stand sie in der Mitte des Zimmers und überlegte, ob die letzten Stunden ein Traum oder Wirklichkeit waren.
Nachdem sie die ganze Nacht wachgelegen und nachgedacht hatte und einen halben Tag ruhelos im Haus herumgelaufen war, entschloß sich Mary, den Heiratsantrag anzunehmen. Selten hatte sie etwas widerwilliger getan, aber sie hatte von ihrer Mutter außer deren Schönheit den sehr gesunden Realitätssinn geerbt, und deshalb wußte sie, daß ihr tatsächlich keine andere Möglichkeit blieb, als sich auf Nicolas’ Ansinnen einzulassen. Wenn sie nicht in Shadow’s Eyes bleiben wollte, mußte sie eben einen Mann heiraten, den sie nicht liebte. Weiß Gott, dachte sie, meine Rettung läßt er sich teuer bezahlen!
Was sie bei alldem besonders kränkte, war das Bewußtsein, gerade das zu tun, was Lettice ins Unglück gestürzt und wovor sie ihre Tochter immer gewarnt hatte. Um ihrer Lage zu entfliehen, kettete sie sich an einen Mann und rutschte von einer Abhängigkeit in die nächste. Aber natürlich hatte es keinen Sinn, auf Prinzipien zu beharren, wenn man sie mit dem Preis der ganzen Zukunft bezahlen mußte. Sie sagte sich, daß es ihr möglicherweise leichter fallen würde, nachher Nicolas zu entkommen, als ihren Bewachern im Armenhaus. Und ohne Zweifel hatte Nicolas gegenüber Ambrose manchen Vorteil. Er war intelligent, wach und lebte mitten in seiner Zeit. Um ihn herum gab es Abenteuer und Wildheit, nicht elende, versoffene Trägheit. Zudem war Mary sicher, daß Nicolas ihr gegenüber nie gewalttätig sein würde, aber ebenso sicher konnte sie davon ausgehen, daß er eine einmal gewonnene Beute nicht ohne weiteres entkommen ließ. Sie brauchte nicht darauf zu rechnen, daß sie sich, kaum in
Weitere Kostenlose Bücher