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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Spektakel mit leuchtenden Augen verfolgten – besonders dann, wenn ein Ritter mit ihrem Schleier an der Lanze zum Kampf antrat. Der Ehrenplatz in ihrer Mitte jedoch blieb frei. Königin Anna hatte den König nicht begleitet, sondern war im Palast zu Greenwich geblieben. Zum Jahreswechsel hatte der Hof die gute Nachricht verkündet, daß Ihre Majestät wieder guter Hoffnung sei, und nun wurde Anna äußerst schonungsvoll behandelt, denn schließlich bestand die Möglichkeit, daß sie einem Prinzen und damit dem künftigen König Englands das Leben schenkte. Jeder wußte, daß die Geburt eines Sohnes die Politik Europas bestimmen konnte. Auch Anna war sich der Bedeutung bewußt, die ein Sohn für sie haben könnte: Er wäre ihre einzige Rettung.
    Obwohl viele Menschen zum Turnier kamen, waren es doch weniger als sonst bei derartigen Anlässen. Über London lastete eine eher gedrückte Stimmung. Drei Tage zuvor war nach langer Krankheit die in der Verbannung in Kimbolton lebende Königin Katharina gestorben, und das Fest, das Henry heute feierte, war ein Triumph, weil das Schicksal seinen Streit mit dem Papst eigenmächtig beendet hatte, und es war eine Geste der Tollkühnheit gegenüber Habsburg: Denn mit voller Absicht hatte der König das Turnier zu genau der Zeit veranstaltet, zu der in Kimbolton die tote Katharina in einer prunklosen Trauerfeier zu Grabe getragen wurde. Er demonstrierte seine Furchtlosigkeit gegenüber dem Kaiser und Spanien, indem er sie in hilfloser Wut zusehen ließ, wie er die Beerdigung der einstigen Prinzessin von Aragon mit rauschender Fröhlichkeit, lustigem Waffengeklirr und Strömen von Wein begleitete. Viele Bürger Londons, sonst durchaus den Habsburgern feindlich gesinnt, fanden dies doch eine etwas zu weit gehende Provokation, wenn sie auch wußten, daß sich Henry ein gewisses Maß an Frechheit erlauben durfte, weil die Versöhnung zwischen Kaiser und Franzosen gerade gescheitert war und er deshalb freier atmen konnte. Aber die von ihm gewählte Form, seine Unbekümmertheit zur Schau zu stellen, fand doch vielerorts Mißbilligung. Man blickte unruhig auf den erregten Chapuys, der mit dünner Stimme fortfuhr, Marys Wiedereinsetzung in ihre Rechte zu fordern, und mit drohend erhobenem Zeigefinger vor der Rache des Kaisers warnte.

    Weder Mary noch Nicolas gingen zu dem Turnier. Mary blieb an diesem kalten Tag lieber in Blooms warmer Stube und erledigte ihre Arbeit. Sie fühlte sich ohnehin nicht wohl. Sie hatte jetzt den fünften Monat ihrer Schwangerschaft erreicht, aber ihr war noch genauso übel wie zu Anfang. Sie bewegte sich schwerfällig und geriet bei der geringsten Anstrengung ins Keuchen. Nicolas war sehr besorgt. Er beschwor sie täglich, mit ihrer Arbeit aufzuhören, weil ihr der Weg zu Mr. Blooms Wohnung so schwer fiel.
    »Ich verdiene genug«, sagte er, »du kannst doch später weitermachen. Ich werde noch ärgerlich, Mary!«
    »Wenn das Kind da ist, ist es sowieso vorbei«, erwiderte Mary, »aber bis dahin tue ich noch, soviel ich kann.«
    An diesem Tag ging es ihr besonders schlecht, aber das mochte auch daran liegen, daß sie sich über das Turnier aufregte und traurig war wegen Katharinas Tod. Sie seufzte, als sie sich endlich erhob, und preßte gleich darauf die Lippen zusammen, um nicht zu stöhnen. Immerzu hatte sie Schmerzen, besonders, wenn sie lange über ihre Bücher gebeugt gesessen hatte. Sie sehnte sich nach der Geburt des Kindes, weil sie sich dann endlich wieder frei würde bewegen können und nicht länger wie ein jammerndes Faß durch die Gegend rollen müßte. Noch vier Monate! Es schien ihr eine Ewigkeit.
    Sie begann ihre Papiere zusammenzuräumen und sah dabei aus dem Fenster. Stockfinster war es schon, es mußte bereits spät am Abend sein. Bloom war schon zu Bett gegangen, das Feuer im Kamin verloschen, Menschenstimmen und Räderrasseln von draußen verebbt. Mary merkte, daß sie sich beeilen mußte. Am Ende wartete Nicolas schon. Gerade, als sie nach ihrem Schal griff, hörte sie Schritte auf der Treppe, dann klopfte jemand zaghaft an die Tür.
    »Herein«, sagte Mary erstaunt. Um diese Zeit war noch nie jemand erschienen. Die Tür öffnete sich langsam, eine schmale Gestalt stand auf der Schwelle, im schwachen Kerzenschein kaum zu erkennen. Mary aber wußte, wer es war.
    Verwundert fragte sie:
    »Miss Brisbane?«
    Anne Brisbane trat ein, schloß die Tür und sah sich ungewöhnlich hilflos um. Schließlich sagte sie:

    »Ich bin sehr froh, Sie noch

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