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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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werden.«
    »Das wird gehen.«
    »Mary, ich weiß nicht, ob...«
    »Ich weiß auch nicht. Aber nur wer mit hohem Einsatz spielt, gewinnt. Und ich will gewinnen.«
    »Warum so schnell? Warum läßt du nicht alles viel langsamer laufen? Du warst früher nicht so, jetzt auf einmal kannst du es nicht abwarten. Manchmal habe ich das Gefühl, du würdest dich eher umbringen, als dir einen einzigen Farthing entgehen zu lassen!«
    Mary wandte sich ihm mit einer heftigen Bewegung zu.
    »So ist es auch! Ich habe viel zuviel Zeit verstreichen lassen. Immer habe ich auf andere gewartet, auf Frederic und Nicolas, darauf, daß sie mir Sicherheit und Geborgenheit geben. Aber beide haben sie mich im Stich gelassen. Nein, wenn ich etwas will, dann muß ich es allein machen. Vielleicht bin ich zu ungeduldig, aber wenn du
wüßtest, wo ich herkomme, du würdest es verstehen. Wenn du den Dreck erlebt hättest, die Kälte, die Gehässigkeit, den Neid und die Mißgunst, und diese furchtbare, endlose Armut, und nie genug zu essen, und nichts Warmes und nichts Sicheres. Nie wieder will ich es erleben, nie!« Sie sank auf einen Stuhl, stützte den Kopf in die Hände und zerwühlte mit den Fingern ihre Haare.
    »Nie wieder«, flüsterte sie, »nie wieder.«
    Tatsächlich waren in diesen dunklen Novembertagen und in den langen, kalten Nächten die Erinnerungen an ihre Kindheit wieder besonders heftig in Mary erwacht. Aus vergessenen Tiefen tauchten Bilder auf, vor denen sie sich schon sicher gewähnt hatte. Sie sprangen Mary an, wenn sie sich nachts in ihren Kissen wälzte oder, weil sie ewig keinen Schlaf fand, in ihren Morgenmantel gehüllt an der Wand ihres Zimmers lehnte und einen blassen Mond auf ihr Gesicht scheinen ließ. Alles wurde wach, und so klar stand es vor Mary, daß sie begriff, sie mußte es mit aller Sorgfalt gehütet haben. Sie wanderte durch ihr Zimmer, sah hinaus auf das Land im Mondlicht, in einen hohen, frostklaren Winterhimmel mit scharfgezackten Sternen. Nans gute Geister, vielleicht waren sie doch ihre Verbündeten, denn sie hatten ihr den Glauben an Marmalon gegeben, an diesen einzigen wirklichen, greifbaren Sinn ihres Lebens, und sie gaben ihr die Kraft, weiter daran festzuhalten. Gut, womöglich war sie verrückt in ihrer Ungeduld, aber sie konnte nicht warten, keinen Tag länger.
    Sie schickte Tallentire nach London, wo er die Werften besuchte und glückstrahlend mit einem lohnenden Auftrag und einem verlockenden Preisangebot zurückkam. Sofort stellte Mary neue Arbeitskräfte ein, ritt selber die Wälder ab, berechnete die Kosten für den Transport, stürzte sich wie verhungert in die Arbeit, um der Folter ihrer Erinnerung zu entfliehen.
    Einmal sagte Will:
    »Ich weiß nicht, Mary, ob’s richtig ist, ausgerechnet im November einen solchen Auftrag zu übernehmen. Wir könnten in Schwierigkeiten kommen, wenn es plötzlich anfängt zu schneien.«
    Sie sah ihn aus fiebrigen Augen an.
    »Solange es nicht schneit, Will, weigere ich mich zu glauben, daß es Schnee überhaupt gibt.«

    Da schwieg er und begriff, daß er gegen eine Wand von Starrsinn redete, die weder er noch irgend jemand sonst je würde durchbrechen können.
    Bei alldem hatte Mary ihre unmittelbare Umgebung, die Nachbarn von Marmalon, kein einziges Mal zur Kenntnis genommen. Es interessierte sie nicht, wer auf den umliegenden Gütern lebte, denn sie hatte soviel andere Dinge im Kopf, daß sie darüber nicht auch noch nachdenken konnte. Daher wußte sie auch nicht, für wieviel Wirbel sie bei den Nachbarn gesorgt hatte, und daß sie schon seit Monaten den Gesprächsstoff in den feinen Salons abgab. Daß Lady Cathleen ihr verwahrlostes Rosewood eines Tages verkaufen würde, damit hatte jeder gerechnet, und insgeheim hatten sich die meisten vorgenommen, dann schnell zuzugreifen, denn unter Kennern galt das Gut als besonderes Juwel. Doch dann, über Nacht, ohne daß jemand etwas davon mitbekommen hatte, zog diese Fremde ein, von der keiner wußte, wer sie war und wo sie herkam. Sie war nicht von Adel, mußte aber ein beträchtliches Vermögen besitzen, sonst hätte sie Rosewood nicht erwerben können. Was besonders frappierte, war die Tatsache, daß diese Frau offenbar vorhatte, das Gut allein zu seinem alten Glanz zurückzuführen. Es gab keinen Mann. Da zwischen den Knechten auf allen Landgütern reger Tratsch herrschte, hatte man in den oberen Kreisen inzwischen erfahren, daß wohl irgendwo auch ein Mr. de Maurois existierte, der ein obskures zweites

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