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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hervorzubringen.
    Cathleen strich ihr mit einem ihrer zarten, schlanken Finger sanft über die Nase. »So ein ernstes Gesicht«, sagte sie, »lachst du nie, Mary? «
    Mary schüttelte abermals den Kopf und fing gleich darauf an zu weinen, ohne überhaupt zu wissen weshalb.
    Cathleen blickte sie erschrocken an. »Aber was hast du denn? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    Mary konnte auch darauf nichts antworten und schluchzte noch eine Weile. Sie bot einen mitleiderregenden Anblick, wie sie so klein und dünn in dem schönen Park stand, barfuß, die roten Haare unter einem alten Kopftuch verborgen, das Gesicht blaß und fleckig von den Tränen. Sie wirkte äußerlich wie hundert andere verwahrloste, kleine Mädchen, aber etwas ging von ihr aus, das Cathleen rührte.
    »Ich wollte dir gerade einen Vorschlag machen, der dich freut«, sagte sie, »ich habe eine Zofe, Anne Brisbane, und ich möchte gern, daß sie dir Lesen und Schreiben beibringt. Würdest du das gern lernen ?«
    Mary brauchte einen Moment um zu begreifen, was Lady Cathleen ihr da anbot, denn ein fassungsloser Schreck durchzuckte sie. Es war das, was sie sich schon immer wünschte. Vor lauter Überraschung fand sie zum ersten Mal seit Beginn der Unterhaltung ihre Sprache wieder.
    »Warum tun Sie das für mich, Mylady?« fragte sie.
    Cathleen lächelte. »Ich weiß nicht genau, Mary. Ich glaube einfach, daß du es wert bist.« Sie wandte sich ab und ging davon.
    Am Abend auf dem Heimweg erzählte Mary Bess von ihrem Glück. Wenn sie aber geglaubt hatte, ihre Schwester werde sie bewundern oder bestaunen, so hatte sie sich getäuscht. Bess geriet außer sich.
    »Vier Jahre arbeite ich nun schon im Herrenhaus!« rief sie. »Vier
Jahre, und glaubst du, ein einziges Mal wäre jemand auf den Gedanken gekommen, etwas für mich zu tun? Nein, mich lassen sie in der Küche schuften und die Drecksarbeit machen. O Mary«, sie starrte das kleine Mädchen wütend an, »wie gerissen du doch bist! So klein und schüchtern, und nie bringst du ein Wort heraus, aber hinter meinem Rücken schleichst du dich an Lady Cathleen heran! Was findet sie bloß an dir? Aber warte nur, was Mutter dazu sagt! «
    Zu Hause tobte gerade ein heftiger Streit. Ambrose und Edward standen einander in der Küche gegenüber, beide betrunken, und der ganze Raum stank nach Branntwein. Lettice hatte sich auf den Küchentisch geschwungen. Sie hielt die Beine lässig übereinander geschlagen, ihre lockigen Haare hingen offen den Rücken hinunter und sie hatte einen Ausdruck von Schadenfreude auf dem Gesicht, der Ambrose offensichtlich zur Raserei brachte.
    »Ach, Bess, Mary, gut, daß ihr kommt«, rief sie, »schaut euch nur euren Vater an, den versoffenen Halunken, wie groß er sich aufspielt! «
    »Halts Maul!« brüllte Ambrose zurück. Er sah scheußlich aus, die dunklen Haare standen lang, wirr und ungekämmt um seinen Kopf, er hatte sich seit vielen Tagen nicht mehr rasiert und trug ein völlig zerrissenes Hemd, an dem überall Blutspritzer klebten.
    »Ambrose ist im Wirtshaus in eine Schlägerei geraten«, erklärte Lettice genußvoll, » was sehr dumm von ihm war, denn er hätte wissen müssen, daß er dabei immer den kürzeren zieht. Schaut ihn euch doch an! «
    Bess lachte hell. »Wie viele waren es denn, gegen die er sich verteidigen mußte?«
    »Ein einziger. Nur einer. Aber du bist nicht mehr der Jüngste, Ambrose, nicht wahr?«
    In Ambroses Augen flammte eine Wut auf, die Mary einen Moment lang Angst um ihre Mutter bekommen ließ, aber es geschah nichts. Ambrose nannte Lettice häufig eine Schlampe oder eine eingebildete, häßliche alte Kuh, aber nie hätte er es gewagt, sie wirklich anzugreifen. So sehr er ihre Intelligenz haßte, so sehr schüchterte sie ihn auch ein. Statt dessen ging er auf Edward los, der, seinem Vater heute ähnlicher denn je, ebenfalls mit schwimmenden, bösen Augen
in die Gegend starrte. Er taumelte zurück, als Ambrose gegen ihn stieß und im Nu befanden sie sich wieder in einem wilden Handgemenge und bildeten ein tobendes, keuchendes Knäuel, das sich engumschlungen auf dem Fußboden herumwälzte. Ihre Arme und Beine schlugen dabei gegen Tische und Stühle, so heftig, daß es im ganzen Haus widerhallte und daß man deutlich die trippelnden Schritte der Armen hören konnte, die sich vor der Küchentür drängten, ohne es zu wagen, hereinzukommen.
    Bess kannte die Streitereien zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder gut genug, um sich nicht mehr lange damit

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