Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
eine Heimat auf, wie er sie nicht mehr gekannt hatte, seitdem er sein Kloster bei Nacht und Nebel in einer überstürzten Flucht hatte verlassen müssen. Das Leben, die Welt, wie er sie gekannt hatte, waren zusammengebrochen und in den Flammen des Glaubenskrieges eines absoluten Herrschers aufgegangen, aber bei aller Trauer, die er deswegen noch heute empfand, wußte er, daß er Gott für Marmalon und Mary de Maurois danken konnte.
»Ich lasse mir das nicht gefallen«, sagte sie fest, »ich werde mit den Verantwortlichen sprechen. Ich bin sicher, daß sich alles ganz schnell klären wird.«
Tallentire nickte, nicht völlig überzeugt.
Mary entrollte das Pergament noch einmal. »Wer hat denn das unterzeichnet?« Sie überflog die Zeilen. »Hier! Was heißt das? Das...« Sie erstarrte und wurde noch um eine Schattierung blasser. »O Gott«, sagte sie leise.
»Was ist?«
»Archibald Claybourgh! Er hat das unterschrieben! Wie kommt denn der...« Sie brach ab und schien über etwas nachzusinnen. Ein Winterabend trat in ihr Gedächtnis, Dunkelheit und Schneegestöber, das Licht der Hauslaterne fiel flackernd auf die eisüberzogenen Stufen, auf denen eine Frau stand, in Schals und Pelze gehüllt. Sie drehte sich mit lachendem Gesicht zu Mary um, und ihre Stimme klang begeistert und schrill.
»Mein lieber Archibald ist zum Oberbeauftragten für die Steuereinziehung in der Grafschaft Essex ernannt worden! Ist es nicht wundervoll!«
Ist es nicht wundervoll! Sie hatte es vergessen, völlig vergessen, es nicht einmal richtig aufgenommen. Sie war so wütend gewesen an diesem Tag und so müde, besessen von dem Wunsch, diese Frau endlich loszuwerden. Sie hatte nicht recht zugehört, und dann waren wieder so viele Dinge geschehen, daß sie das einmal Gehörte vergessen hatte.
»O verdammt!« Sie zerknäulte das Papier und warf es auf den Boden. »Ich bin eine dumme Gans, Tallentire! An dem ganzen Nachmittag hat diese verdammte Person ein einziges Mal etwas gesagt, was wichtig war, und ich habe nicht zugehört! Ich habe... ach, und wenn! Ich hätte ja doch nichts ändern können!«
»Worum geht es denn?« fragte Tallentire, der nichts von dem, was sie sagte, begriff.
Sie sah ihn verzweifelt an. »Nichts. Es wäre zu schwierig, das alles zu erklären. Es ist nur... zu jedem anderen wäre ich jetzt hingegangen, aber nicht zu Archibald Claybourgh. Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Es würde nichts nützen. Sie haben sich geirrt, als Sie glaubten, diese Steuererhöhung sei auf den bevorstehenden Krieg zurückzuführen. Nein, dies hier«, sie wies auf das zerknäulte Papier, »dies hier ist eine persönliche Rechnung. Archibald Claybourgh läßt mich hier eine alte Schuld begleichen.«
»Sie kennen ihn schon länger?«
»Ich habe ihn vor langen Jahren einmal in London kennengelernt... unter Umständen, die er mir nicht verzeiht. Hier liegt nun seine Rache vor mir. Deshalb würde es nichts nützen, hinzugehen und zu bitten. Gerade das will er. Und es wäre ein besonderer Genuß für ihn, mich zu demütigen.«
Tallentire hatte betroffen zugehört.
»Wenn das so ist«, sagte er, »könnte es wirklich passieren, daß er in den nächsten Monaten mit seiner Rache fortfährt.«
Mary nickte düster. »Das müssen wir abwarten. Eigentlich müßte ich mit zweihundert Pfund alles reichlich abgegolten haben. Außerdem ... «
»Ja?«
»Ich finde das alles so merkwürdig. Claybourgh ist ganz sicher
sehr böse auf mich, aber es paßt nicht zu ihm, mich deshalb vernichten zu wollen. Dafür erscheint er mir viel zu bequem.«
»Und was tun wir?«
Mary schlug mit der Hand auf den Tisch.
» Der Lump läßt uns keine Wahl. Wir zahlen. Schweigend und so würdevoll wie möglich. Und wir können nur beten, daß es das erste und das letzte Mal war.«
Es war das erste, aber natürlich nicht das letzte Mal. Ende Juli erhielten sie eine noch höhere Forderung. Ende August war sie erneut gestiegen. Um sie zu bezahlen, verbrauchten sie die letzten Rücklagen und einen großen Teil des Geldes, das sie für die erste Ernte bekommen hatten. Mary geriet in Verzweiflung, denn sie durchschaute jetzt, welches Spiel Claybourgh trieb und wußte, daß er sich nicht zufriedengeben würde, ehe sie am Ende war.
»Im Schuldgefängnis will er mich sehen«, sagte sie verzweifelt zu Tallentire und Mackenzie, »und da wird er mich auch hintreiben. Was soll ich denn nur tun?«
Die beiden Männer sahen sich ratlos an. Sie wußten selber nicht
Weitere Kostenlose Bücher