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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nicht befreien konnte. Ihr Gesicht wurde zu einer weißen, steinernen Maske ohne Regung. Sie war überzeugt, daß sie Neujahr bereits im Schuldgefängnis würde verbringen müssen, aber nicht einmal das nötigte ihr ein Aufbegehren ab. Sie empfand nichts als eine bittere, tränenlose Leere; dahinter lauerte eine Verzweiflung, der sie streng verbot, Besitz von ihr zu ergreifen.
    Nach der Beisetzung ging Mary ins Haus zurück, denn sie mochte nicht zusehen, wie das Grab zugeschaufelt wurde. In der Halle traf sie auf den alten Hund, der regungslos vor der untersten Treppenstufe lag und die Augen geschlossen hielt. Seit Wills Tod hatte er nichts mehr gegessen. Sie kniete neben ihm nieder und streichelte seinen grauen Kopf.
    »Stirb du nicht auch noch«, sagte sie leise, »was soll ich denn machen, wenn ihr mich plötzlich alle verlaßt?«
    Er zuckte nicht einmal mit den Ohren. Seufzend erhob sie sich und ging die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Sie betrachtete die kahlen Wände und den leeren Fußboden. Alles hatte sie bereits verkauft, um das Geld für diesen Monat zusammenzubekommen. Ende Dezember würde sie das Haus verlassen müssen.
    Sie stand lange so da, während es draußen dunkel wurde und am frostklaren Himmel die Sterne aufblitzten. Als Dilys plötzlich ins Zimmer stürzte, schrak sie zusammen.
    »Madam, Sie stehen ja im Dunkeln!« rief sie. »Kommen Sie schnell hinunter. Auf dem Hof sind eine Menge Männer, die Sie sprechen wollen!«
    Mary drehte sich langsam um, aus tiefen Gedanken erwachend. » Wer ist dort?«
    Dilys zappelte vor Aufregung. »Ganz viele Männer. Ich glaube, sie kommen wegen der Abgaben. Ach, Madam, was sollen wir nur tun?«
    Sie schaut mich an wie ein hilfloses Kind, dachte Mary müde, alle schauen sie mich so an. Was glauben sie, was ich tun kann? Ich bin doch selber am Ende!
    »Ich komme«, sagte sie zu Dilys, und an dem bewundernden
Aufblitzen in den Augen des Mädchens erkannte sie, daß sie offenbar selbstsicher und gefaßt wirkte. Sie lächelte ironisch und eilte die Treppe hinunter.
    Unten kam ihr Mackenzie mit ernster Miene entgegen. »Da draußen ist Claybourgh mit ein paar Männern«, berichtete er leise, »sie kommen wegen der Steuern für November.«
    »Wegen der Steuern für November? Sind die verrückt geworden? Heute ist der achtundzwanzigste!«
    »Ich weiß. Aber die können es wohl nicht abwarten. Deshalb ist auch die ganze Meute mitgekommen. Sie hoffen auf den Todesstoß, und den will sich keiner entgehen lassen.«
    »Den Todesstoß? Heute? «Mary spürte, wie eine tiefe, wilde Wut in ihr aufstieg, sie blaß werden und zittern ließ. »Heute? Die dreckige Bande, heute kriegen sie nichts von mir! Es ist nicht der dreißigste November, und ich werde keinen einzigen Farthing herausrücken!«
    Mackenzie schüttelte den Kopf. » Wenn Sie das Geld haben, sollten Sie es ihnen geben. Es würde sie außerordentlich ärgern, denn sie rechnen mit Ihrem Eingeständnis, am Ende zu sein. Werfen Sie es ihnen vor die Füße!«
    »Es ist das letzte, was ich habe. Vielleicht sollte ich gleich aufgeben...«
    »Aber, Mary!« Er faßte sie an den Schultern und schüttelte sie sanft. »Mary, nein! Keine Stunde schenken wir denen! Nicht einem Mann wie Claybourgh!«
    »Sie haben recht.« Mary warf den Kopf zurück. »Gehen Sie hinauf in mein Zimmer. Im obersten Fach vom Schreibtisch liegt ein Beutel, darin ist das Geld für November. Bringen Sie es mir bitte. Ich werfe mich inzwischen den Löwen vor.«
    Bittere Kälte empfing sie draußen. In einem Halbkreis vor der Treppe standen die Pferde mit ihren Reitern, deren Schweigen Feindseligkeit ausstrahlte. Beklemmend fühlte sich Mary an einen Winterabend zwei Jahre zuvor zurückversetzt, als die Männer aus der Nachbarschaft sie aufgesucht hatten, um sie zur Aufgabe ihrer eigenwilligen Geschäftspraktiken zu zwingen. Nun war wieder Winter, der Boden gefroren, die Nacht klar, und den Pferden quoll
weißer Atem aus den Nüstern. Sie stand zitternd vor Kälte auf der obersten Treppenstufe, angeleuchtet vom Kerzenschein aus dem Haus und sah auf die Meute hinunter, die sich zusammengefunden hatte, ihre Niederlage zu erleben. An der Spitze Archibald Claybourgh ; sein Pferd stand ein Stück vor den anderen und sein rotes, rundes Gesicht leuchtete in erwartungsvoller Freude.
    »Was wollen Sie hier, Claybourgh?« rief Mary. »Was wollen Sie alle hier?« Ihre Stimme klang klar, aber Claybourgh spürte die Erregung, die darin schwang. Er grinste genüßlich.

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