Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
krank«, antwortete sie arglos, »niemand weiß genau, was sie hat. Gestern abend ging es ihr plötzlich schlecht, sie hatte Fieber und Kopfschmerzen und mußte sich ins Bett legen.«
»Was sagt sie denn zu den Hochzeitsplänen?«
»Sie sagt gar nicht viel. Aber sie freut sich sicher.«
Ja, so sehr, daß sie sogleich krank ins Bett fällt, dachte Mary höhnisch, sagte aber nichts. Cathleen würde Anne Brisbane wahrscheinlich solange sie lebte nicht mehr durchschauen, und die krankhafte Eifersucht der alternden Frau niemals begreifen. Und diesmal würde Cathleen auch noch freiwillig und aus Liebe heiraten, und das mußte Anne einfach umbringen.
»Ein paar Augenblicke können Sie wohl noch bleiben«, sagte Mary, »kommen Sie doch mit hinein.«
Die beiden Frauen gingen ins Haus. Cathleen redete und lachte ohne Unterlaß. Ihre bevorstehende Hochzeit schien sie sehr aufzuregen und offenbar vermißte sie einen Menschen, mit dem sie alles besprechen konnte, denn sie vertraute Mary sämtliche Geheimnisse ihres Herzens an, und lauschte gierig ihren Erwiderungen. Schließlich sprang sie erschreckt auf.
»Ich habe wirklich die Zeit vergessen«, rief sie, »die arme Anne, sie wird sich solche Sorgen machen. Ich bin richtig schlecht. Nur weil ich soviel Glück habe, vergesse ich meine treueste Freundin!«
»Sie wird nicht daran sterben«, entgegnete Mary. »Sie haben das Recht, auch einmal nur an sich zu denken, Cathleen.«
»Meinen Sie? Ach, Mary, daß ich noch einmal so glücklich sein würde!« Sie traten auf den Hof. Cathleen sah sich um. »Wie schön ist es hier! Ist es nicht hübsch, daß wir Nachbarn sind? Sie kommen doch zu meiner Hochzeit, Mary, nicht?«
Mary sah in Cathleens arglose blaue Augen. Sie war davon überzeugt, daß es in der ganzen Umgebung die Spatzen bereits von den Dächern pfiffen, wie es um Marmalon stand, aber es war bezeichnend für Cathleen, daß ihr davon nichts zu Ohren gekommen war. Jetzt mochte sie keinen Schatten auf Cathleens Glück werfen, daher zwang sie sich zu lächeln und freundlich zu erwidern: »Aber ja. Ich komme gern.«
Ein Knecht führte Cathleens Pferd herbei. Gerade als er ihr hinaufhelfen wollte, stürzte Dilys aus dem Haus. Sie schien sehr aufgeregt.
»Madam, Mr. Tallentire kommt zurück!« rief sie. »Ich habe ihn von einem der oberen Fenster aus gesehen. Er reitet, als wären alle Teufel hinter ihm her!«
»Tallentire? Ist der denn nicht längst wieder da?«
Da preschte er gerade die Auffahrt hinauf. Sein Pferd schnaubte und war klitschnaß. Mary eilte ihm entgegen und griff in die Zügel.
»Was ist denn geschehen? Warum dieser halsbrecherische Galopp?«
Tallentire atmete schwer. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er sprechen konnte. Cathleen, Dilys und Mary sahen angstvoll zu ihm auf.
»Ich komme von Sluicegates«, sagte er schließlich, »dort ist die Hölle los!«
»Warum? Was ist?«
»Die Miliz ist dort. Heute morgen, ganz früh, in der ersten Dämmerung...«
»Ja?«
»Sie haben Sir Claybourgh gefunden. Im Wald. Man...«
»Himmel, nun reden Sie doch!«
»Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten.«
Cathleen und Dilys schrien gleichzeitig auf. Cathleen wurde weiß, Dilys bekam große, schwarze Augen. Mary merkte, wie ihr Hals trocken wurde. Sie schluckte mühsam.
»Wer? fragte sie schwerfällig. » Wer war das?«
Tallentire zuckte mit den Schultern.
»Wegelagerer vielleicht. Aber... weil er doch die Steuern eingetrieben hat, gehen sie jetzt seine Papiere durch. Sie erhoffen sich einen Hinweis. Ich dachte...« Sein Gesicht war dicht vor Marys, sie sah Sorge und Anteilnahme in seinen Augen, »ich dachte, Sie sollten es schnell wissen.«
Sie nickte, aber sie konnte keinen Laut hervorbringen. Von weither vernahm sie Dilys aufgeregte Stimme.
»Gütiger Gott, ich sterbe, Madam! Nein, wenn ich mir das vorstelle, die Kehle... Oh, Madam, Lady Cathleen sieht aber sehr blaß aus. Kein Wunder! Die Kehle durchgeschnitten! Was mag da viel Blut gewesen sein!«
Mary schloß langsam die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich, schlurfte mit den müden Schritten einer alten Frau zu einem Sessel und ließ sich hineinsinken. Sie griff nach dem Krug mit Branntwein, den sie immer bereitstehen hatte, seitdem sie nachts nur noch schwer in den Schlaf fand und den Schnaps brauchte, um sich zu betäuben. Sie schenkte sich einen Becher voll ein und kippte ihn hinunter. Ihre Kehle, ihre Brust, ihr Magen brannten, dann fühlte sie sich warm und entspannt. Sie atmete erleichtert
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