Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
durch. Der hämmernde Schmerz in ihren Schläfen verebbte. Sie konnte ihr Gesicht im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand sehen und erschrak.
Täuschte das Bild, oder war sie wirklich so grau, so totenbleich? Gehörten diese brennenden Augen ihr? Über der Nase hatte sich eine scharfe Falte eingegraben, die Brauen zu beiden Seiten davon wirkten schwarz und streng. Es war ein fremdes Gesicht; sie wandte sich ab, um es nicht sehen zu müssen.
»Ich fürchte mich noch vor mir selbst«, murmelte sie. Mit der Hand griff sie sich an die Kehle. Was mag da viel Blut gewesen sein, hatte Dilys gesagt und es hatte sich beinahe wollüstig angehört. Sie schenkte den Becher noch einmal voll und nahm einen tiefen Schluck. Ihre Nerven waren zu angespannt gewesen in der letzten Zeit; sie wußte, sie würde jetzt entweder laut schreien oder sich betrinken. Sie entschloß sich für das Letztere. Wenigstens wurde ihr warm dabei, heiß, und heiß sollte ihr auch werden! Verglühen wollte sie, tanzen, lachen, brennen und triumphieren. Die Plage hatte ein Ende! Ihren Widersacher holte sich gerade der Teufel und sie saß hier, munter und vergnügt, feierte mit einem ganzen Krug voller Branntwein, und hatte keine Sorge mehr auf der Welt. Marmalon blieb, Marmalon war gerettet! Sie hatte sich an diese Erkenntnis gehalten, während sie die zitternde Cathleen beruhigte und nach Hause schickte und die weinende Dilys in die Küche schob, um sie Allisons Pflege zu überlassen. Sie hielt sich daran, als sie langsam die Treppe hinaufstieg, sich Stufe um Stufe am Geländer entlangzog, über den Gang tappte und mit der letzten Kraft, die ihr verblieb, Jane eine Ohrfeige gab, als die sich ihr laut brüllend in den Weg stellte, weil sie fand, daß man ihr in der letzten Zeit nicht die gebührende Achtung schenkte.
»Verdammt noch mal, Jane, deine Mutter hat weiß Gott andere Sorgen, als sich immer nur um dich zu kümmern«, fuhr sie sie an, »halt jetzt den Mund oder ich dreh’ dir den Hals um!«
Jane klappte entsetzt den Mund zu und verstummte. Hatte ihre Mutter den Verstand verloren? Mary kümmerte sich nicht weiter um sie. Sie wankte in ihr Zimmer und gab sich dem Branntwein hin, weil sie begriff, daß sie unter keinen Umständen nachdenken durfte. Es kam alles zu schnell. Sie hatte die Schrecken der letzten Monate mit einiger Haltung durchgestanden, nun aber drohten ihr die Nerven zu versagen. Sie nahm wieder einen Schluck, konzentrierte
sich auf das Brennen in ihrem Hals und lauschte dabei nach draußen. Als sie Schritte hörte, wußte sie sofort, wer kam.
Charles Mackenzie betrat ihr Zimmer ohne anzuklopfen. Er stand in der Tür, nachlässig gekleidet, unrasiert, mit blutleeren Lippen und hohlen Augen.
Sie sah ihn abweisend an. »Ich will jetzt allein sein.«
Charles trat ganz ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
Mary runzelte unwillig die Stirn. »Hast du mich nicht verstanden? « Sie wich etwas zurück, als er näher kam und sie seinen Atem roch. »Du hast getrunken, Charles!«
»Oh, tatsächlich? Und was tust du gerade?«
»Ich feiere ein Fest.«
»Man merkt’s. Du hat eine ganz anständige Fahne.« »Weißt du, was geschehen ist?«
»Man spricht von nichts anderem. Dein erbitterter Gegner und Todfeind Claybourgh ist auf der Strecke geblieben! Und weil du dein Glück nicht fassen kannst, säufst du!« Er griff nach dem Krug und trank daraus. Seine rohe Ausdrucksweise erschreckte und ernüchterte Mary.
»Es sind nur meine Nerven. Ich hatte eben die Wahl, in Ohnmacht zu fallen, zu schreien oder zu saufen, wie du es nennst. Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung.« Sie setzte sich aufrecht hin. Charles betrachtete sie, ebenso viel Zorn wie Bewunderung im Blick.
»Feines Mädchen. Und wenn’s dir noch so dreckig geht, sowie der noch viel elendere Charles auftaucht, bist du wieder ganz obenauf. Findest du das nett? Weißt du, Mary, was ich manchmal denke? Ich denke, daß du nichts bist als eine große Lüge! Die tapfere Mary, die starke Mary! Du ziehst dir doch deine Tapferkeit nur aus der Schwäche der anderen, nicht aus deinem edlen Herzen! Du brauchst den Anblick von ein paar armen Schweinen, schon schwingst du wieder die Standarte und bläst zum Angriff! Ist es nicht so?«
Mary stand auf und entwand ihm den Krug. »Hör auf zu trinken und vor allem hör auf zu faseln, Charles. Du bist nicht in der Verfassung, große Reden zu führen!«
Charles ließ sich den Krug aus der Hand nehmen und setzte sich, aber in seinem
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