Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
nicht?«
Sie fühlte sich noch immer müde und zerschlagen, als sie am nächsten Morgen die Treppe herunterkam. Sie hatte kaum geschlafen, sich nur in ihren Kissen herumgewälzt und gegrübelt. Mitten in der Nacht war ein heftiges Gewitter heruntergegangen, und am Morgen regnete es in Strömen. Durch die geöffnete Haustür flutete feuchter, aufdringlich süßer Blütendurft und irgendwo zwitscherte schrill ein Vogel.
»Guten Morgen, Madam«, sagte Dilys fröhlich. Sie hatte vor einigen Wochen einen jungen Mann kennengelernt, der als Bauer ein Stück entlehntes Land auf dem Besitz von Sir Courday bestellte,
und seither war sie stets guter Laune. Sie verschwand oft still und heimlich am späten Abend, und wenn sie am nächsten Tag nach Marmalon zurückkehrte, sah sie ganz so aus, als habe sie kaum geschlafen. Mary blickte sie mißgelaunt an.
»Guten Morgen, Dilys. Ich habe furchtbare Kopfschmerzen. Mach mir bitte Milch heiß und tu viel Honig hinein.«
»Gern, Madam. Wie geht es Mr. de Maurois?«
»Er schläft noch. Er ist müde von seiner langen Reise.«
»Und... und ist es wahr, daß Charles Mackenzie für immer fortgegangen ist?«
»Ja, Dilys, das ist wahr. Er wollte zu den Soldaten.«
»Oh... warum?«
»Ach, was weiß ich denn, was die Männer immer zu den Soldaten treibt!« rief Mary aufgebracht. Diese ewig neugierige Dilys! »Schottland und Frankreich haben ein Bündnis geschlossen, und er wird sich gesagt haben, daß England jetzt gute Patrioten braucht. Und nun bringe mir endlich mein Frühstück!«
Dilys ging schmollend in die Küche. Sie hätte so gern mehr erfahren. Es mochte ein Gerücht sein, daß Charles Mackenzie und Mary de Maurois... aber warum verschwand er dann gerade, als Nicolas auftauchte? Dilys fand das alles höchst aufregend und fragte sich, ob Mary wohl jemals wieder froh sein könnte, wenn Charles nun im Kampf fiele.
Mary, die über diese Frage am liebsten nicht nachdenken wollte, ging unruhig im Salon auf und ab. Sie hoffte, daß es ihr am heutigen Tag gelingen würde, Brenda Mackenzie aus dem Weg zu gehen, aber gleichzeitig sagte sie sich, daß sie ihr nicht die nächsten Jahre lang ausweichen könnte. Und wenn Charles nun etwas zustieße... wenn Nicolas so seltsam abweisend bliebe... ach, weshalb konnten sich die Männer nur nie vernünftig benehmen?
»Ich werde noch verrückt«, sagte sie leise zu sich, »Himmel, wo bleibt nur diese Dilys! Ich muß etwas essen und trinken, dann geht es mir besser!« Sie wandte sich um, als jemand die Tür öffnete, doch es war Allison, die eintrat.
»Lady Cavendor... Verzeihung, Lady Hadleigh ist gekommen«, sagte sie, »darf sie hereinkommen?«
»Natürlich.« Mary wunderte sich. Hatte Cathleen am Tag nach ihrer Hochzeit nichts Besseres zu tun, als frühmorgens durch strömenden Regen nach Marmalon zu reiten? Schon kam sie ins Zimmer, nervös und hastig. Sie war nicht so sorgfältig zurechtgemacht wie sonst, sie sah aus, als habe sie das nächstbeste Kleid, das sie finden konnte, übergestreift und kaum Zeit gefunden, sich die Haare zu bürsten. Sie war pitschnaß und trug nicht einmal Reithandschuhe – unmöglich für eine Dame!
»Ach, Mary, entschuldigen Sie, daß ich so früh störe«, sagte sie, »aber ich bin ganz außer mir! Anne ist fort! Jemand sagte mir, sie sei schon gestern abend gegangen.«
»Oh«, entgegnete Mary, überrascht, daß sich Cathleen über Annes Verschwinden wunderte, »natürlich ist sie fort. Nach allem, was passiert ist... sie konnte doch nicht bleiben und so tun, als sei nichts geschehen!«
»Ja, aber... sie hat mir nichts gesagt! Sie ist einfach fort, und sie hat eine ganze Menge ihrer Kleider mitgenommen. Wo kann sie denn hingegangen sein?«
»Ich nehme an, sie wird versuchen, nach London zu kommen. Sie hat dort Verwandte.«
Cathleen wirkte völlig verstört. »Sie hätte mit mir reden müssen. Ich kann das alles nicht verstehen. Warum hat sie das gestern getan? Und warum läuft sie weg?«
»Ach«, Mary hob hilflos die Hände. Cathleens Naivität verblüffte sie einmal mehr. »Cathleen, diese Frau hat gestern auf sehr bösartige Weise versucht, Ihre Eheschließung mit Sir Hadleigh zu verhindern. Sie ist... krank. Sie hat es riskiert, uns alle und sich selber an den Galgen zu bringen. Es ist mißlungen. Sie kann Ihnen jetzt nicht mehr gegenübertreten!«
»Sie kann aber doch auch nicht einfach verschwinden!«
»Cathleen!« Mary trat auf sie zu und nahm ihre feuchten, kalten Hände, die leise
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