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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Frühling, Sommer und wieder Winter, und mit brennendem Interesse verfolgte sie die abenteuerlichen Geschehnisse, die England bewegten.
    Kardinal Campeggio war nach Rom gereist und hatte die Entscheidung über eine Auflösung der Ehe von Henry und Katharina in die Hände des Papstes gelegt. Henry war zu dem Entschluß gelangt, daß er sich dem unheilvollen Machtbereich der Kirche entziehen mußte, wollte er nicht zum Spielball europäischer Politik, gesteuert vom Vatikan, werden. Von Mitgliedern des Kronrats ermutigt, entließ er Lordkanzler Kardinal Wolsey aus allen seinen Ämtern, und hatte damit den Mann aus der Regierung gedrängt, der bisher sämtliche Fäden in seinen Händen gehalten und wegen seiner Verbindung mit Rom und mit den europäischen Königshäusern eine Macht erlangt hatte, die dem König unheimlich geworden war. Sir Thomas More, der berühmte Gelehrte, trat seine Nachfolge an, aber Wolsey gab sich noch nicht geschlagen, sondern begann im Frühjahr 1530 eine Reise durch England, die ihn von Richmond hinauf in sein Erzbistum York führte. Gewandt und rhetorisch begabt wie er war, machte er einen Triumphzug daraus und Tausende jubelten ihm zu. Er hielt flammende Reden über die ewig gültige Wahrheit der katholischen Kirche, verdammte den Ketzer Martin Luther, der auf dem Kontinent einen Riß durch die Völker verursacht hatte, er begnadigte Gefangene, verteilte Brot an die Armen und rief auf, für das Heil der Königin Katharina zu beten, die die einzige rechtmäßige Frau auf dem englischen Thron sei. Man sank vor ihm auf die Knie und ließ sich segnen, und Mary, die ihre Ohren immer überall hatte, hörte in dieser Zeit, wie Cavendor zu anderen Herren sagte:
    »Eine Loslösung von Rom könnte tatsächlich zu einem Bürgerkrieg führen. Seht doch, wie das Volk an seiner alten Kirche hängt! Wenn der König nicht bald eingreift, hetzt Wolsey sämtliche Bewohner Englands gegen ihn auf!«
    Und der König griff ein. Kurz bevor Wolsey York erreichte, ließ er ihn wegen Hochverrats verhaften. Der ehemalige Lordkanzler kam jedoch einem Verhaften zuvor, indem er noch auf dem Weg
zur Hauptstadt in der Abtei zu Leicester ein Mittel einnahm, an dem er kurz darauf in einer kalten Novembernacht starb.
    Kaum hatte die Nachricht vom Tode Wolseys London erreicht, da holte der Kronrat im Auftrag des Königs zum nächsten Schlag aus: Er erhob Anklage gegen die gesamte Geistlichkeit des Landes, die sich an den Verbrechen des Lordkanzlers mitschuldig gemacht haben sollte, indem sie seine unmäßigen Kirchensteuern unterstützt und sich nicht deutlich von seiner Verschwörung mit dem Papst distanziert hatte. Die Höhe des Bußgeldes wurde auf 100000 Pfund festgesetzt, zudem sollte die Kirche Englands den König als ihr alleiniges Oberhaupt anerkennen.
    Nach einem Schweigen des Entsetzens, nach heftigen, hilflosen, hitzigen Debatten, gab die Kirche nach, wohl wissend, daß eine Weigerung noch schlimmere Strafen nach sich ziehen könnte. Sie erklärte den König »soweit es das Gesetz Christi gestatte« zum kirchlichen Oberhaupt, eine raffinierte Formulierung, da das Gesetz Christi nach wie vor den Papst als Oberhaupt betrachtete und der König damit keineswegs an die Spitze der Kirche trat. Das Land war in Aufruhr, die Kirche versuchte, das Bußgeld einzutreiben, stieß dabei auf Unruhen und Weigerungen, und durch das ganze Land ging eine Welle von Feindseligkeiten. Alle, die noch vor Monaten dem in Ungnade gefallenen Wolsey zugejubelt hatten, schimpften nun auf die Kirche und strömten in Scharen zu den Theatern, die das neueste und beliebteste Stück der Saison aufführten, »Kardinal Wolseys Höllenfahrt«, eine boshafte, hämische Darstellung vom Leben und Sterben des einstigen Lordkanzlers.
    Wenn Mary durch London lief, sah sie an allen Ecken kleine Puppentheater aufgebaut, in denen Hetzstücke gegen die Kirche aufgeführt wurden, mit gräßlichen, monsterhaften Puppen, die raffgierige Priester darstellten. Und nie hatte es so viele, so eindeutige Flugblätter gegeben. Mit Karikaturen und Gedichten bedruckt flatterten sie hinter jeder Mauer hervor, lagen in den Rinnsteinen und hingen an den Bäumen, wurden durch hundert Hände gegeben und landeten schließlich völlig zerlesen als Brennmaterial im Ofen eines Hauses.
    Es war eines jener Flugblätter, das Mary im April des Jahres
1531, eineinhalb Jahre, nachdem sie Shadow’s Eyes verlassen hatte, auf einen Einfall brachte, der später unerwartete Folgen haben

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